Gläubigermacht und Demokratie
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13.12.2015 13:37 Gläubigermacht und Demokratie
Beitrag: #1
In einem anderen Beitrag von mir zu Problemen bei exzessiven Fleischimporte Ghanas habe ich das Wort "Gläubigerstärke" bemühen wollen. Bei Bemühung einer Suchmaschine stellte sich aber heraus, dass "Gläubigermacht" der richtige Begriff ist.
Gestoßen bin ich dabei auf einem sehr interessanten Beitrag eines Wirtschaftswissenschaftlers aus 2011, und zwar hier - "Tlaxcala, das internationale Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt". Der Artikel ist allerdings nicht etwa unseriös oder so, denn es wird darauf verwiesen, dass der Text ursprünglich im FAZ gestanden hatte. Michael Hudson, so lehrte eine nähere Recherche, hatte 2006 die Immo-Blase in den USA und den mutmaßlichen Folgen 2006 prophezeit. Der Beitrag spannt den Bogen von der Antike bis heute. Michael Hudsons Arbeit war - wie ich auch erfahre - für David Graeber für sein Schuldenbuch (siehe Buchbesprechung Frank Schirrmachers) eine wichtige Stütze. Worum geht es im Wesentlichen? Um den Wunsch von Gläubigern, die Tilgung ihrer vergebenen Krediten sicherstellen zu können. Der Untertitel zeigt es bereits auf: Die Weltgeschichte beweist: Interessen von Gläubigern sind nicht die der Demokratie. Bankenrettungen führen in die Oligarchie. Der Finanzsektor betreibt eine neue Art der Kriegsführung.
Exemplarisch für dieses Sicherheitsbedürfnis steht folgender Passus: Zitat:Seit der Renaissance verlagerten die Bankiers ihre politische Unterstützung auf Demokratien. Das war ein Ausdruck des Wunsches nach größerer Sicherheit für ihre Kredite. Wie James Steuart 1767 erklärte, waren die vom König aufgenommenen Kredite keine Staatsschulden im eigentlichen Sinne, sondern blieben eher Privatangelegenheit. Wenn die Schulden eines Souveräns bindend für eine ganze Nation werden sollten, mussten gewählte Repräsentanten Steuern beschließen, aus denen die Zinsen gezahlt wurden.(Hervorhebung von mir) Unmittelbar im Anschluss dieses Passus verknüpft der Autor mit dem aktuellen Zustand in Europa: Zitat:Doch die Proteste, die wir im Kontext der Schuldenkrise von Island bis Griechenland und Spanien erleben, legen den Gedanken nahe, dass die Gläubiger dabei sind, den Demokratien ihre Unterstützung zu entziehen. Sie verlangen, dass der Staat spart, und fordern sogar die Privatisierung staatlichen Vermögens. Damit verlegt sich die internationale Finanzwelt auf eine neue Art von Kriegsführung, die dasselbe Ziel verfolgt wie in früheren Zeiten die militärische Eroberung: die Aneignung von Land und Bodenschätzen, die Übernahme staatlicher Infrastruktur und die Erhebung von Tributzahlungen. Die aufgezeigte Drastik darf man nicht verharmlosen. ich verweise daher kurz auf die Zusammenfassung des Films "Let's make money" - Zitat eines ehemaligen Wirtschaftskillers: Zitat:Wir schreiben die Gesetze. Wir kontrollieren die Weltbank. Wir kontrollieren den Internationalen Währungsfonds. Wir kontrollieren sogar die UNO in hohem Maße. Wir schreiben also die Gesetze. Insofern tun Wirtschaftskiller nichts Ungesetzliches. Ländern große Schulden aufbürden und dann eine Gegenleistung verlangen, ist nicht verboten. Es sollte verboten sein, ist es aber nicht.Bezogen auf das genannte Ghana-Beispiel, darf der dort von der EU geforderte Zollabbau gar nicht gefordert werden. Ich belasse es jetzt auf zwei weitere Zitate aus dem Beitrag Hudsons, und hoffe damit, das Interesse geweckt zu haben. Zitat:Es ist immer leicht, Schulden zu erlassen, wenn man selbst der Gläubiger ist. Auch römische Kaiser verbrannten gelegentlich die Steuerverzeichnisse, um eine Krise zu vermeiden. Sehr viel schwieriger war es, Ansprüche privater Gläubiger zu annullieren, als die Praxis des Verleihens gegen Zinsen sich seit etwa 750 vor Christus auch nach Westen in den Mittelmeerraum hinein ausbreitete. Und wenn ich dieser Passus lese, muss ich unwilkürklich (ohne Bewertung!) an Deutschland (Unnachgiebigkeit) und Tsipras denken. Zitat:Von den führenden römischen Geschichtsschreibern führten Livius, Plutarch und Diodor bei der Behandlung des ein Jahrhundert währenden, von politischen Morden gekennzeichneten Bürgerkriegs den Untergang der Republik auf die Unnachgiebigkeit der Gläubiger zurück. Populistische Führer versuchten Anhänger zu gewinnen, indem sie sich für einen Schuldenerlass einsetzten, zum Beispiel in der Verschwörung des Catilina 63/62 vor Christus. Hudson fährt fort mit einer Betrachtung des "Weges in die Schuldknechtschaft" aufgrund von (zu) liberaler Laissez-Faire-Ökonomie, als Antithese zu Hayeks "Weg in die Knechtschaft" OHNE Laissez-Faire-Ökonomie, und schließt mit Zweifeln über die rechtliche Grundlagen der Staatsverschuldung ab, weil "die Wünsche der Wähler nicht berücksichtigt wurden". Info: Eine passende Arbeit, die in die gleiche Kerbe schlägt, stellt Joseph Vogls "der Sourveränitätseffekt" dar, Besprechung u.a. hier. |
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14.12.2015 15:21 RE: Gläubigermacht und Demokratie
Beitrag: #2
Ökonomie
: Wer hat denn nun die Macht? Joseph Vogl behauptet in "Der Souveränitätseffekt", dass die Herrschaft der Finanzökonomie schon in der Frühen Neuzeit begonnen habe. Von Alexander Cammann 7. März 2015, 8:36 Uhr DIE ZEIT Nr. 10/2015, 5. März 2015 http://www.zeit.de/2015/10/joseph-vogl-s...zoekonomie http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-joseph-vogls-souveraenitaetseffekt-13475172.html Siehe auch Gustav Ruhland als National Ökonom und sein volkswirtschaftliches Werk zur Geschichte des Finanzkapitals und der Banken und Währungen und des Freihandels und des Wuchers. Ein Historiker und Volkswirt über den Wucher. http://www.vergessene-buecher.de |
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14.12.2015 20:56 RE: Gläubigermacht und Demokratie
Beitrag: #3
Ah ja, die Rezension in der Zeit hatte ich mir noch in Erinnerung. Habe ich nun noch mal gelesen. Da wird schön deutlich, wie Vogl gedanklich nahe an Hudson liegt. Beide sprechen z.B. auch die unsaubere Stellung der EZB an.
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