inoffizielles Themenforum für die ÖDP

Normale Version: Abtreibung vs. Lebensschutz
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Da ohnebadeschaum in einem anderen Thread darauf gedrängt hat, die Haltung der ÖDP zur Abtreibung zu überdenken oder wenigstens totzuschweigen (und ich nicht gleich im vierten Beitrag ein Nebenthema aufmachen will Wink), fange ich zu dem Thema hier einen neuen Thread an.

Die alles entscheidende Frage beim Thema Abtreibung, aber auch zum Beispiel bei der verbrauchenden Embryonenforschung, ist die, ab wann der Mensch ein Mensch ist. Die Antwort ist sowohl medizinisch als auch philosophisch nicht ganz einfach.

Aus medizinischer Sicht gibt es die erste Widersprüchlichkeit schon bei Spätabtreibungen (zum Beispiel aufgrund einer Behinderung des Kindes). Warum soll man den Fötus im siebten oder achten Schwangerschaftsmodus noch abtreiben dürfen (= kein Mensch), während eine Frühgeburt im selben Entwicklungsstand schon als Mensch gilt und entsprechend nicht getötet werden darf. Auch Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche sind problematisch, ist der Embryo da doch schon voll ausdifferenziert, heißt es sind alle Organe bereits angelegt (auch wenn sie sich natürlich noch entwickeln müssen). Spätestens da ist auch für jeden Laien zu erkennen, dass man es mit einem Menschen zu tun hat (wer starke Nerven hat, kann gerne im Internet nach Bildern von Abtreibungen zum entsprechenden Zeitpunkt suchen). Als andere Möglichkeiten für den Anfang des Menschseins werden unter anderem die Nidation oder auch die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle diskutiert. Freilich würden Abtreibung dadurch faktisch unmöglich, da Schwangerschaften zu diesem Zeitpunkt selten erkannt werden.

Aus philosophischer Sicht wird die Sache noch komplizierter, denn mit dem Menschsein ist immer auch die Menschenwürde verbunden. Hier ist Konsens, dass die Würde immer nur anerkannt, aber nie zuerkannt werden kann: Der Mensch hat immer Würde! Doch wird die Würde zuerkannt, wenn man eine Grenze setzt, ab der ein Mensch als Mensch gelten kann. Es verstößt als gegen das Prinzip der Menschenwürde (nicht gegen die Menschenwürde an sich!), wenn man einen Zeitpunkt bestimmen will, bis zu dem Abtreibungen moralisch vertretbar sein soll.

Vor dem Hintergrund dieser Problematiken hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Mensch ab Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als Menschen betrachten muss. Mag man selbst auch anderer Meinung sein, so bewegt sich außerhalb des Rechtsstaats, wer vor dem Hintergrund dieses Urteils etwa ein "Grundrecht auf Abtreibung" fordert (wie im Estrela-Bericht Ende vergangenen Jahres), kollidiert dieses dann doch mit der Menschenwürde und den damit verbundenen Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Entsprechend wäre ich ganz klar dagegen, wenn die ÖDP hier ihre Position zulasten des Lebensrechts ändern wollte. Sie wird im Wahlkampf ohnehin schon viel zu sehr versteckt. Da die Position der Grünen dazu für mich deren Wahl schlicht unmöglich macht, sollte die ÖDP sich gerade auch im Wahlkampf klar dazu bekennen. Ich habe bei meiner Wahlwerbung für die ÖDP immer auch auf deren Einsatz für den Lebenschutz hingewiesen, was in meinem (zugegebenermaßen stark katholisch geprägten Umfeld) immer auf Zustimmung stieß. Und gerade für viele Christen in Deutschland (von denen es immer noch genug gibt) würde die ÖDP deutlich attraktiver, wenn sie neben Themen wie Bewahrung der Umwelt/Schöpfung, Solidarität, Subsidarität,... gerade auch ihre Position zum Lebensschutz deutlicher machen würde.
Ich möchte dir zustimmen und halte die Position der ÖDP (Kurzfassung: Schutz jedes Lebens) für sehr wichtig.
Ich weiß allerdings nicht, wie wir diese Position gut kommunizieren. ohnebadeschaum hat offenbar ein Problem mit dieser Haltung (siehe https://www.oedp-forum.de/bb/showthread....67#pid1367 ), wobei ich nicht weiß warum.
Ich sehe das Risiko, dass wir fundamentalistische/extremistische „Christen“ *¹ anlocken oder als solche abgestempelt werden – beides will ich nicht. Andererseits ist der Schutz des Lebens wichtig, so dass wir ihn unbedingt fordern und unsere Haltung kommunizieren müssen.


*¹ Ich habe hier Anführungszeichen verwendet, weil ich mir schwer tue, diese Menschen als Christen zu bezeichnen – und diese Einstellung weitgehend unabhängig von der Religion ist. Ich meine damit Leute, die z.B. die Evolutionstheorie als Teufelswerk bezeichnen, Tanzen für eine Todsünde halten oder die Scharia einführen wollen.
Keine Angst, die Pius-Brüder will ich jetzt auch nicht unbedingt als Wähler anlocken. ;-)
Auch ich halte den umfassenden Lebensschutz für wichtig. Wenn ich die Position der ÖDP hier richtig erinnere, will man die Gesetzeslage nicht verschärfen, sondern die Rahmenbedingungen so verbessern, dass Abtreibungen zumindest aus wirtschaftlichen Gründen vermieden werden. Zudem soll für ein Ja zum neuen Leben geworben werden.

Christian sieht es als Risiko, dass wir„fundamentalistische / extremistische „Christen“ anlocken oder als solche abgestempelt werden“. Ja, das Risiko besteht. Aber was folgt daraus? Der „authentische Politiker“ wird vor allem aufgrund der Gefahr des Abgestempeltwerdens auf eine allzu deutliche Betonung des Lebensschutzes verzichten. Motto: Es könnte Wählerstimmen kosten und ist sowieso eher ein Randthema. Es gibt wichtigeres! Zumal fundamentalistisch/christlich oder abtreibungskritisch in bestimmten Kreisen auch schon – ich flüstere dieses Wort jetzt nur - „rechts“ ist. Wer von der Richtigkeit und Wichtigkeit seines Standpunktes überzeugt ist, bemüht sich sein Anliegen klar und friedfertig zu kommunizieren, schert sich aber ansonsten nicht darum, was andere denken. Merke: Idioten gibt es immer und überall! Wenn ich mich in meinem Denken, Sprechen und Handeln davon beeinflussen lasse, was andere darüber denken, und infolge meine Überzeugungen verstecke, habe ich verloren und lasse mich im Zweifel von Idioten lenken (ich persönlich könnte mich dann auch nicht über ein paar Prozentpunkte mehr freuen, aber da sind wir sicher alle unterschiedlich). Ich benutze dies unschöne und polarisierende Wort "Idiot" hier aus zwei Gründen. Zum einen denke ich gerade an unsere Toleranzfraktion aus dem von mir beim Thema „Die „Generation G“ und Meinungsfreiheit“ verlinkten Video, zum anderen habe ich gerade zwei Gläser Wein zum Abendessen getrunken, was bei mir bisweilen zu einer gewissen Enthemmung führt.

Ich persönlich sehe mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle den Beginn einer Entwicklung, die erst mit dem Tod endet – früher oder später, vor oder nach der Geburt. Einen Zeitpunkt zu bestimmen, ab wann nach dem Verschmelzen von Samen und Eizelle das Leben beginnen soll, vermag ich nicht.

Und nun zur ÖDP. Ich habe für die Europawahl den „Werte-Aufsteller“ bestellt. Dieser enthielt vormals 11 Werte. Mir wurde mitgeteilt, dass es noch ein neues Design gebe und welches ich denn wolle. Als ich mir das neue Design anschaute, entdeckte ich, dass ein Wert fehlte. Und zwar nicht nur beim neuen Design (Kinder), sondern auch beim alten (das Vorschaubild wurde aber noch nicht aktualisiert). Und, welches fehlt? Ihr könnt ja mal selbst schauen. Und dann könnt ihr euch ja auch eure Gedanken machen, wie das gekommen ist. Ich habe mir meine auf jeden Fall schon gemacht... Übrigens habe ich dann auf den "Werte-Aufsteller" verzichtet und nur den „Gandhi-Aufsteller“ bestellt.

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Ach ja, Werte sind wählbar! Wink
Oder Zumindest "Werte sind auswählbar". Muss sich zumindest derjenige gedacht haben, der sich für die Streichung verantwortlich zeichnet. Ganz abgesehen davon, dass man die Schrift beim neuen Design auch noch schlechter lesen kann.

Zu den wahltaktischen Überlegungen: Ich meine, dass die wirklichen Fundamentalisten sich ohnehin besser bei der PBC oder bei AUF aufgehoben fühlen dürften. Zumal ich ja auch nicht den Lebensschutz ganz allein nach vorne stellen würde, sondern halt einfach bei Auflistungen wie auf dem Aufsteller als einen von mehreren Punkten, der die ÖDP halt eben auch ausmacht. Und ich meine auch nicht, dass sich die ÖDP damit bei vielen potentiellen Wählern unwählbar macht, sondern dass sie gerade dadurch auch für neue Wähler interessanter würde, wenn sie ihre ganze - halt eben auch(!) christlich geprägte - Wertepalette ohne Scheu präsentieren würde. Denn was Leute bei der CDU abschreckt sind gerade deren Umwelt- und Wirtschaftspolitik, und was Leute bei den Grünen abschreckt sind gerade deren Familien- und Menschenbild (was ja hinter deren Einstellung zu Abtreibung steht). Wir sind deshalb nicht einfach nur eine weitere grüne Partei oder gar nur deren "Ergänzung", die eh keiner bräuchte, und sollten uns auch bloß nicht als solche darstellen. Sondern wir sind sowohl die ökologisch-soziale Alternative zur Union als auch die wertkonservative Alternative zu den Grünen. Und ich denke gerade wenn man die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu beiden Parteien klar benennt, haben wir ein Wählerpotential in Deutschland von sicher mehreren Million Wählern (allein schon wenn man davon ausgeht, dass eine Mehrheit der Christen sowohl gegen Umweltzerstörung ist als auch Abtreibung höchst problematisch sieht).

Zugute halten möchte ich der ÖDP bei dem Thema gerade deren Pragmatismus. Denn ein Verbot von Abtreibungen verhindert Abtreibungen ja gerade nicht, wie ein Blick rüber nach Polen zeigt. Was die Politik tun kann, ist den Frauen in Konfliktsituationen eine Perspektive zu geben, mit der sie sich ohne Angst für das Kind entscheiden zu können. Denn die meisten Frauen lassen ihr Kind ja gerade nicht mit dem Gefühl abtreiben, dass sie eine wirklich freie Wahl hatten (das sagt ja schon der Begriff "Konfliktsituation"). Dazu gehört für mich, dass die Frauen vor Druck aus der Familie oder z.B. vom Arbeitgeber geschützt werden müssen, hier wäre es durchaus überlegenswert, den Druck zur Abtreibung durch Dritte strafrechtlich zu sanktionieren. Bei Beratungsstellen muss ganz klar die Frage im Vordergrund stehen, wie man der Frau UND dem Kind helfen kann, freilich ohne in die eine oder andere Richtung Druck auf die Frau auszuüben. Einrichtungen, die Beratungen anbieten, dürfen auch auf gar keinen Fall selbst Abtreibungskliniken führen (wie Pro Familia) und damit an dem Geschäft der Abtreibung selbst noch verdienen. Und auch die politischen Rahmenbedingung für Risikogruppen müssen verbessert werden, hierzu kann das Erziehungsgehalt durchaus einen Beitrag leisten (wenn auch nicht den einzigen).
Ich musste gerade an die fast schon rührende Antwort von Herrn Buchner auf eine Frage zum Embryonenschutz bei Abgeordnetenwatch denken:

"Beim Embryonenschutz stimme ich nicht mit Ihnen überein. Ich habe mit meiner jüngsten Tochter als knapp drei Monate altem "Embryo" im Mutterleib bereits gespielt - mit Hilfe von Ultraschallaufnahmen. Ich kann diesem "Keimling" und "potentiellen, nicht aktualen Leben" das Menschsein nicht absprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich bei dem Gedanken, diesen "Keimling mit nur potentiellem Leben" abzutöten, glücklich sein könnte."

[font='Lucida Grande', Helvetica, Arial, sans-serif]https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/prof-dr-klaus-buchner/question/2014-05-08/7450[/font]
@Thilo: 100% Zustimmung!
Ich tue mich immer schwer, wenn ich als Mann über das Thema Abtreibung urteile. Eigentlich sollten Männer m.E. die Klappe bei dem Thema halten, insbesondere männliche Kirchenvertreter und Politiker. Sie reden über eine Extrementscheidung, die sie nie selbst erleben und durchmachen müssen. Es steht uns Männern daher kein Recht zu, die Entscheidung zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Über Abtreibung ja oder nein sollten m.E. nur Frauen urteilen und entscheiden. Alles andere ist männliche Bevormundung bzw. basiert auf einem männerdominierten (die Worte konservativ oder traditionionell treffen es nicht exakt) Welt- und Geschlecherrollenerbild. Und genau das ist es, was viele Leute dann ablehnen und nicht den Wert dahinter sehen.
Sicher Betrifft eine Abtreibung Frauen stärker als Männer. Die Sachlage ist aber komplizierter. Das Kind ist nun mal eine Co-Produktion. Auch wenn die Frau das Kind austrägt, hat doch der Vater einen erheblichen Anteil daran. Leider neigen manche Männer dazu, ihre diesbezügliche Verantwortung nicht zu tragen, auch nach der Geburt. Von daher kann die Entscheidung über eine Abtreibung nicht allein Sache der Frau sein. In diesem Zusammenhang wird in unserer Gesellschaft meiner Meinung nach Sexualität viel zu wenig im Zusammenhang mit Liebe und Verantwortung diskutiert. Eine Schwangerschaft ist kein „Unfall“, sondern eine nie mit letzter Sicherheit auszuschließende natürliche Folge des Geschlechtsverkehrs. Und sofern man der Meinung ist, dass das Leben mit Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, gibt es auch eine zu berücksichtigende dritte Partei, die allerdings keine Stimme hat. Daher ist die Frage des Lebensschutzes eine, die gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss, von Frauen und Männern. Wir klagen über den Geburtenrückgang und nehmen es als Gesellschaft hin, dass jährlich über 100 000 Ungeborene abgetrieben werden. Hier müssen die Ursachen näher untersucht und, wo immer möglich, Lösungen gefunden werden, die ein Ja zum Leben ermöglichen. Vor allem aber muss auch der Wert des menschlichen Lebens, das Zusammengehören von Liebe, Sexualität und Verantwortung in unserer Gesellschaft stärker thematisiert werden. Das ist sicher eine Werthaltung, die nicht alle teilen, die aber aus meiner Sicht für eine Gesellschaft wichtig ist.
Zitat: Von daher kann die Entscheidung über eine Abtreibung nicht allein Sache der Frau sein.

Das Verhalten der "Koproduzenten" und insbesondere ihr Beitrag nach der Geburt ist ein wesentlicher Beitrag zur Entscheidungsfindung wie auch die Rahmenbedingungen für das Aufziehen von Kindern.

Trotzdem ist aus meiner Sicht kein Mann berechtigt, da zu urteilen und zu entscheiden, vor allem nicht die Theoretiker in Kirchengewand oder moralisierende Politiker.

Nachtrag: Ich bin evangelisch-protestantisch und bin daher das Verkünden absoluter Wahrheit durch eine Kirchenleitung nicht gewöhnt und akzeptiere ich auch nicht.

Nachtrag 2: Ich halte persönlich Abtreibungen für eine äußerst problematische "Lösung". Wenn irgendwie möglich und auch medizinisch vertretbar sollte ein Kind ausgetragen werden und, sofern letztlich nicht durch die leiblichen Eltern ("Koproduzenten") angenommen, anschließend in gute Hände kommen. Die beiden "Koproduzenten" müssen dann m.E. zumindest finanziell in die Verpflichtung genommen werden und beitragen. Trotzdem sollte es m.E. eine Entscheidung der austragenden Frau oder zumindest nur von Frauen sein, die die Situation aus eigenem Erleben beurteilen können sein.
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