Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
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23.11.2013 14:07 Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #1
Kommentar von B. Suttner:
https://www.oedp.de/aktuelles/montagsged...einkommen/ Ich bin kein großer Freund des Bedingungslosen Grundeinkommens und finde die differenzierte Betrachtung von B. Suttner gut und richtig. Link zu Diskussionen im alten Forum der ÖDP: http://oedp-forum.de/archiv/Bedingungslo...BGE%29.htm Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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18.08.2014 06:50 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)
Beitrag: #2
Anhand einer gedanklichen Weiterentwicklung trete ich inzwischen für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein.
Der Vorbeitrag aus 2013 nimmt Bezug auf eine Meinungsäußerung, die eine Gruppe potenzieller Bezieher eigentlich außen vor lässt. Denn auch wenn es begrüßenswert ist, dass Familienleistungen, oder Erziehungsleistungen finanziell honoriert werden, ist natürlich die Frage, was mit Einzelpersonen ist. Suttner benennt dann eine Mehrwertsteuererhöhung als schlecht, ohne Alternativen wie negative Einkommenssteuer zu nennen. Außerdem ist die Idee mit der Mehrwertsteuer aus einem anderen Grund nicht verkehrt: Wenn nämlich Lohnnebenkosten in die MwSt. "untergebracht" werden, macht dies Arbeit billiger, und nebenbei tragen Importgüter dann auch an Sozialkosten bei, siehe dazu dieser Forumsbeitrag. Folgender (gesuchter) Forumseintrag gibt es mit dem Stichwort Grundeinkommen: https://www.oedp-forum.de/bb/showthread....783#pid783 (Automatisierung als Grund für BGE, in einem Thread mit Titel "ÖDP-Thesen zu Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik"), siehe nachfolgend Grund 3. In einem Beitrag zu Handelsstrukturen hatte ich Folgendes geschrieben: Zitat:[...] Ich muss dazu ergänzen, dass dies dazu geführt hat, dass ich das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) inzwischen gutheiße. Ich werde das noch in einem anderen Beitrag begründen. Allerdings: dieser Schritt kann wahrscheinlich unterbleiben, wenn der weltweite Freihandel anders organisiert wird. Hintergründe meiner Überlegungen sind dreierlei, und ich fasse hier zusammen:
Grund 2 ist für mich der wichtigste Grund, ein BGE einzuführen. Dieser Grund ist sehr naheliegend, weil die Geldvemögensverteilung heute in etwa so ungleich ist wie vor der großen Krise in den späten zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts. Wenn Arbeitslosigkeit also zu einem wesentlichen Teil aus der Geldvermögensungleichverteilung herrührt, so wird klar, dass Arbeitslosigkeit in den seltensten Fällen selbstverschuldet ist. Grund 3 ist momentan nicht akut, aber andererseits: Die technischen Entwicklungen laufen im Augenblick sehr rasant. Grund 1 berührt Grundlegendes, aber auch Rahmenbedingungen für Grund 2. Zum Beispiel kann eine Vermögensabgabe zu Kapitalflucht führen. Nun sind etwa Kapitalverkehrskontrollen für ein einzelnes Land mit Nachteilen verbunden. Aber eine Großregion wie Europa kann sich eher Maßnahmen leisten, begrenzende Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine gerechtere Wirtschaft zu erzielen. Das bedingungslose Grundeinkommen kann theoretisch überflüssig sein, wenn der Freihandel begrenzt wird und wenn die Vermögenskonzentration deutlich verringert wird. Dazu gehört auch die Trockenlegung von Steueroasen, und ordentliche Besteuerung von Großkonzernen. Nicht nur weil ich diesbezüglich skeptisch bin trete ich für die Einführung von BGE bin, sondern ich betrachte auch Grund 3. Es wird eh kommen. Warum nicht jetzt schon damit anfangen? |
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24.08.2014 19:37 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #3
Warum kann an kein Geld schaffen, dass durch sinnvolle Leistung entsteht. Geld kann entstehen durch die Bezahlung von Altenpflegern und Lehrern oder auch durch sinnvolle, demokratisch kontrollierte Investitionen. Dieses Geld fließt dann über den Konsum in den privaten Wirtschaftskreislauf. Und begrenzt wird die Geldmenge auch durch Steuern, die dazu da sind, Geld aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist  jetzt eine ziemlich unreife Ãœberlegung, aber mir spukt da etwas im Kopf rum und vielleicht kann daraus ja mal ein neues Konzept wachsen. Auch Renten, Azubilöhne und das Erziehungsgehalt könnten auf diese Weise gezahlt werden. Wichtig ist, dass genug Menschen leistungstragend bleiben, damit wir gut Leben können und die Stoffkreisläufe geschlossen werden und alle zu Essen haben. Im Prinzip wäre das eine Verstaatlichung des Geldes, aber das wäre, wen man dafür klare regeln schafft doch nicht das schlimmste, weil es ein demokratisch kontrolliertes Geld wäre. Ich bin für ein Grundeinkommen, aber nicht bedingungslos. Wobei die Bedingungen so sein müssen, dass die Empfänger sehr viel Freiheit haben müssen, durch Leistungen für Gesellschaft zum Gemeinwohl beizutragen.Â
Ist ein anderes Geld, als unser heutiges denkbar? |
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02.09.2014 00:28 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #4
@Felix:
Die Schwierigkeit liegt darin, solche Leistungen zu messen. |
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02.09.2014 16:45 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #5
@Staratschek: also in Japan gibt es Care-Points (ich bin mir nicht sicher, ob die so heißen). Jedenfalls sind das Wertgutscheine, die man erwirbt, wenn man in der Pflege arbeitet. Diese Care-Points haben im Alter die Funktion von Gutscheinen, die faktisch an den dann Pflegenden weitergereicht werden, als Entlohnung. Was ist, wenn man gar nicht in der Pflege gearbeitet hat? Weiß ich nicht. Ich habe mich nicht mit den Details befasst.
Dies ist sozusagen zweckgebundenes Geld, so etwas ähnliches wie Regiogeld, der ist ja auch zweckgebunden, an einer Regio halt. |
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07.09.2014 19:55 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #6
Ich weiß nicht, ob es so schwierig ist, solche Leistungen zu messen, da es genug Aufgaben gibt, an deren Erfüllung andere ein Interesse haben und da viele Leistungen nach Regeln erbracht werden können. Wenn z.B. jemand etwas für den Naturschutz machen will, wird der Naturschutzverein daran ein Interesse haben, dass es geschieht, macht jemand Jugendarbeit oder Begleitung im Altenheim, gibt es die Jugendlichen oder Senioren, die regelmäßig ihren Termin haben wollen, hilft jemand bei der Museumsbahn oder in einem Museum oder Traditionsverein, etc., gibt es die Vereine oder Institutionen, die ihre Dinge gepflegt und erhalten sehen wollen. Und alle, die am Arbeitsmarkt nicht mehr unterkommen, aber noch zu Taten fähig sind, sollten die Chance haben, durch solche Tätigkeiten deutlich mehr als nur Hartz IV zu bekommen.
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27.09.2014 22:55 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #7
Der eingangs erwähnte Beitrag von Bernhard G. Suttner ist ziemlich genau das Gegenteil von "differenziert".
(wer mit Fremdworten Probleme hat, sollte sich nicht scheuen, sie nachzuschlagen: http://de.wiktionary.org/wiki/differenzieren ) Möglicherweise ist Herr Suttner mittlerweile schon so altersweise, dass er die Beschäftigung mit der Realität für obsolet hält. Im Detail: 1. Er behauptet, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) durch eine höhere Mehrwertsteuer bezahlt werden soll. Er bezieht sich damit implizit auf einen Vorschlag von Götz W. Werner (auch so ein Guru), der selbst innerhalb der Grundeinkommensszene durchaus umstritten ist und der keineswegs und zu keinem Zeitpunkt Bestandteil der Europäischen Bürgerinitiative war, um die es angeblich in Suttners Beitrag geht. Abgesehen davon gibt es keinerlei systemisch-logischen Zwang, ein BGE durch eine MwSt. zu finanzieren (es sprechen im Gegenteil einige Gründe gegen diesen extrem einseitigen Vorschlag). Mit anderen Worten: Bedingungsloses Grundeinkommen und die G.W.-Mehrwertsteuerreform haben miteinander nichts zu tun. 2. Suttner befürchtet, dass Minderjährige kein BGE bekommen sollen. Er begründet dies nicht. Man könnte auch befürchten, dass Rothaarige oder Brillenträger kein BGE bekommen sollen. Ohne Begründung wäre das aber kein sinnvoller Diskussionsbeitrag. 3. Suttner differenziert nicht zwischen "Leistung" und "Arbeit". Erstere unterscheidet sich ist in Bezug auf Arbeit ("Arbeitsleistung" http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsleistung ) von letzterer dadurch, dass sie quantifizierbar, also in Zahlen auszudrücken ist. Der Begriff der "Leistung" verbietet sich mithin grundsätzlich im Zusammenhang mit "der Erziehung, Betreuung und Bildung der Kinder sowie bei der Pflege von behinderten oder alten Menschen" - mit anderen Worten: In Bezug auf Sorgearbeit. Denn die hier genannten Arbeiten mit Menschen sind nicht in Zahlen zu fassen, weil Menschen Individuen sind und sich (gegenseitige) Fürsorge nicht (unmittelbar) in Heller und Pfennig ausdrücken lässt. Selbst wenn man den Begriff hier nicht unmittelbar ökonomisch verstehen will: "Schulische Leistungen" meint z.B. ausdrücklich nicht, dass Kinder irgendwie am Unterricht teilnehmen, sondern sie werden auch bewertet und entsprechend belohnt oder bestraft. So zweifelhaft die gängige Verfahrensweise in deutschen Schulen bereits ist- das gleiche Prinzip auf die Sorgearbeit in der Familie anwenden zu wollen ist vermutlich eine klassisch neoliberale Idee, definitiv aber ist es menschenverachtend. Menschen werden dann zu Nummern, bestenfalls zu "Kunden", die ihnen erbrachten "Leistungen" müssen erfasst, kontrolliert und bewertet werden. Dass dieses Treiben bereits seit einiger Zeit in den Pflegeberufen um sich greift, könnte man wohl als "gesellschaftlichen Großversuch" (allerdings mit absehbarem Ausgang) bezeichnen. 4. Selbst wenn Suttner einfach die ganze Zeit nur "Arbeit" meinen sollte, wenn er "Leistung" schreibt: Wer soll entscheiden und kontrollieren, welche Arbeit nützlich ist und welche nicht? Was ist eine "Familie", ist das biologisch gemeint? Wer sich um andere Menschen kümmert, wird dann also pauschal etwas dafür bekommen (wie viel?), wenn ein Verwandtschaftsverhältnis besteht und sonst nicht? Es klingt hier übrigens eine gefährliche Überfrachtung des Familienbegriffes durch, "Familie" wird zur Ideologie. Dass das mitunter Menschenleben kostet, haben die beiden Berliner Pathologen Michael Tsokos und Saskia Guddat in ihrem Buch "Deutschland misshandelt seine Kinder" sehr verständlich beschrieben. (Wer nicht gleich das Buch kaufen will, bekommt hier einen Eindruck: http://www.youtube.com/watch?v=vCK-dgXWRO0 - ab min. 50:00) Darüber hinaus vergisst Suttner weitere Teile der gesellschaftlich wichtigen unbezahlten (und nicht oder nur begrenzt erwerbsförmig organisierbaren) Arbeit, namentlich Demokratiearbeit (politisches Engagement) und den Bereich der "Kreativen" - Innovation lässt sich oft erst im Nachhinein zu barer Münze machen, wenn überhaupt. Das ist für den Vordenker einer Partei, die angeblich Antworten auf die großen Krisen der Welt, den Wachstumszwang, Klimawandel, Peak Everything etc. finden will, ziemlich kläglich. 5. Suttner unterstellt, mit dem BGE würde "das Leistungsprinzip" gleich ganz aufgegeben. Das ist aber nun offensichtlich unwahr, denn das BGE erlaubt im Gegenteil im Bereich der Erwerbsarbeit die viel konsequentere Anwendung des Leistungsprinzips. Erstens müssen aus sozialen Gründen keine Arbeitsplätze gerettet oder geschaffen werden, sondern nur solche, deren Output wichtig ist. Zweitens fällt mit dem BGE das Problem mit dem Lohnabstandsgebot weg, auch im Niedrigeinkommensbereich ist jeder dazuverdiente Euro (ggf. nach Steuer) ein Euro mehr - was bei bedarfsabhängigen Systemen der sozialen Sicherung naturgemäß gerade nicht so ist, weil jeder verdiente Euro die Bedürftigkeit senkt und damit grundsätzlich erst einmal gegenzurechnen ist. @Rijmaris: Das BGE wird nicht "sowieso" kommen. Der Grund ist, dass wir durch Destruktivität dafür sorgen können, dass unsere Produktivität und unser Wohlstand wieder so weit sinken, dass wirklich alle Menschen möglichst viel erwerbsförmig organisierbare Arbeit machen müssen. Stichwort Wiederaufbau nach kriegerischen Auseinandersetzungen. Stichwort Klimawandelfolgen.... Da stellt sich nur die Frage, ob wir das wirklich wollen. |
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28.09.2014 15:12 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #8
Das die ÖDP- Minikommentare zu komplexen Problemem oder komplexen Lösungsvorschlägen immer unvollständig und holzschnittartig sind, ist nicht neu. B. Suttner hat einige Punkte angesprochen, die er als Problem sieht. Ist m.E. ok., auch wenn man seine Meinung nicht teilt. Immer noch differenzierter als die sehr pauschalen Statements einiger anderer ÖDP-Größen zu anderen Themen.
Zu obigem Kommentar: zu 1) Mehrwertsteuer bzw. Umsatzsteuer zur Finzanzierung hielte ich für eine Schnapsidee bzw. einen unlauteren Taschenspielertrick. Dass die Umsatz-/Mehrwertsteuer reformbedürftig ist, ist eine andere Sache. zu 2) BGE für Minderjährige: Das Wort Grundeinkommen geht sprachlich in Richtung Arbeitslohnersatz und richtet sich damit grundsätzlich an die olljährigen , von denen unser jetziges System die wirtschaftliche Eigensicherung durch Erwerbstätigkeit fordert. Insofern halte ich Suttners Bedenken für nicht unberechtigt, allerdings ist die Frage, was man will. Wirtschaftliche Grundsicherung jedes Staatsbürgers (eigenes Thema: Deutscher , EU-Bürger, jedes auf unserem Staatsterritorium mit Aufenthaltserlaubnis mehr als x Monate lebenden Mitmenschen ?)oder einen vereinfachten und weniger stigmatisierenden Ersatz für ALG II und was es sonst noch so an Existenzsicherungsunterstützung gibt. zu 3) und 4): Leistung oder Arbeit: Geht m.E. teilweise an dem von Suttner gemeinten Punkt vorbei. Grundproblem ist aus Sicht vieler, dass nur Erwerbsarbeit mit zugehöriger Bezahlung gesellschaftlich anerkannt wird. Zumindest solange es nicht in die Höhe der objektiv nicht mehr nachvollziehbaren Managergehaltsgrößen und Bankererfolgsprämien geht. Allerdings gibt es auch die deutsche Neidgesellschaft. Ich sehe das BGE u.a. deshalb sehr skeptisch, weil ich glaube, dass individuelle Eigenverantwortung und die Forderung nach Leistung im Rahmen der individuellen Möglichkeiten für unsere Gesellschaft wichtig ist. Sicherlich ist es momentan nicht fair, dass insbesondere von Frauen wahrgenommenen soziale Tätigkeiten deutlich geringer finanziell gewürdigt werden als z.B. Managementjobs und Bankerjobs oder man mit Sonntagsreden über den hohen Wert des Ehrenamtes billig ausgenutzt wird. Aber viel Geld gibt es halt immer nur da, wo viel Geld vorhanden ist. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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29.10.2014 23:57 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #9
hier ein Bericht von der degrowth conference 2014 in Leipzig:
https://www.grundeinkommen.de/21/10/2014...ammen.html |
n. oben |
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30.10.2014 21:00 RE: Bedingungsloses Grundeinkommen (?)
Beitrag: #10
Danke für den Link!
Ich darf sonst noch vermelden, dass der Kreisverband Aachen/Düren/Heinsberg sich neuerdings (ziemlich fokussiert) mit dem Thema BGE beschäftigt. Möglicherweise wird es Ansätze geben, dass die ÖDP sich als Partei auch für das BGE öffnet. |
n. oben |