Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
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20.02.2015 00:15 Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #1
In einem Interview vom 7.2. (Deutschlandfunk) sagt der bekannte Sozialexperte Jürgen Borchert unter anderem Folgendes:
Zitat:Insofern muss ich gleich sagen: Das, was wir bei den Familien in Gestalt dieser doppelten Kinderarmut erleben, dass wir nämlich die Geburtenzahl seit 1965 halbiert haben von 1.350.000 auf heute nur noch 660.000 und dass wir es gleichzeitig geschafft haben, den Anteil der Kinder in Sozialhilfebezug auf das 16-Fache zu steigern, nämlich von jedem 75. Kind damals auf jedes fünfte Kind, in vielen Bezirken bei den Kindern unter sieben Jahren sogar jedes vierte, jedes dritte Kind, das hängt damit zusammen, dass unsere Verteilungssysteme vollkommen aus dem Ruder gelaufen sind. Eine unerhörte Verschlimmerung! (Hervorhebung im Zitat von mir) Gut, die Verteilungssysteme. Er geht ausführlich auf die Rentenreform 1957 ein. Der ÖDP-Experte in diesen Angelegenheiten, Johannes Resch hat den Fehler in einer eigenen Präsentation zur Generationengerechtigkeit dargelegt. Hier eine bildliche Darstellung dazu: Weiter zu Borcherts Kinderarmut: Zitat:Und dann darf man nicht vergessen, dass das Familienproblem ja auch daraus resultiert, dass wir in einer Marktgesellschaft leben. Und die meisten Menschen, 90 Prozent, leben von abhängiger Beschäftigung. Und die abhängige Beschäftigung sieht immer nur die einzelne Arbeitskraft und fragt nicht danach, wie viele Mäuler zu stopfen sind. Das heißt, bei den Markteinkommen sind die Familien systematisch benachteiligt. Das müsste eigentlich in der sekundären Einkommensverteilung, da, wo der Staat mit Steuern und Sozialabgaben dazwischen geht, korrigiert werden. Interessante Verknüpfung, nicht? Was hier eigentlich gesagt wird ist, dass die stetig sinkende Lohnquote das Problem zwangsläufig verschärft. Weiter verschärft wird die Situation durch die Beitragsbemessungsgrenzen. Zitat:Das heißt: Ausgerechnet die leistungsfähigsten Einkommen, die zur sozialen Verantwortung am ehesten in der Lage wären, werden aus dieser Verantwortung entlassen. Interessant wird das Interview auch, wenn der Interviewer Borchert darauf anspricht, dass 200 Milliarden jährlich für Familienpolitik ausgegeben wird. Borchert dazu: "Da möchte ich gerne nochmal eine ganze Stunde hier mit Ihnen drüber reden." Dabei lasse ich es bewenden. Ich will hier nicht das ganze Interview zusammenfassen... |
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20.02.2015 12:20 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #2
Zitat:Interessante Verknüpfung, nicht? Was hier eigentlich gesagt wird ist, dass die stetig sinkende Lohnquote das Problem zwangsläufig verschärft. Daraus resultiert dann: Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen und erhalten um jeden Preis. Bei der ÖDP auch als Erziehungsgehalt. Zitat:Weiter verschärft wird die Situation durch die Beitragsbemessungsgrenzen. Da bin ich nicht ganz sicher. Denn zumindest bei der Rentenversicherung würden höhere Beiträge auch höhere Ansprüche begründen, und da Menschen mit höherem Einkommen statistisch noch länger leben als ärmere, würde hier möglicherweise ohne Beitragsbemessungsgrenze ein noch größeres Ungleichgewicht entstehen. Im Grunde fehlt einfach ein System, welches Geld nach (finanzieller) Leistungsfähigkeit (das muss nicht (nur) die Einkommenssteuer sein!) einsammelt und es dann ohne Beachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit verteilt... |
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23.02.2015 09:22 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #3
Ein wichtiger Grund für die Kinderarmut ist heutzutage aber auch, dass es immer weniger "normale Familien" gibt.
In meiner Kindheit (Jahrgang 1955) kann ich mich nicht an einen Scheidungsfall in der Schulklasse erinnern. Wir hatten eigentlich fast nur Familien mit in der Regel 2 Kindern und einem Verdiener (der Vater) in der Klasse. Kindergeld gab es für meine Eltern nicht- erst ab 3 Kindern. Trotzdem sind wir mit dem Gehalt meines Vaters als Fabrikarbeiter über die Runden gekommen. Allerdings gab es auch keinen Luxus- z.B. kein Auto, keine Urlaubsreisen etc. Unglücklicher als heutige Kinder sind meine Schwester und ich nicht gewesen. Wir haben uns noch über Kleinigkeiten gefreut. So fuhren wir alle paar Wochen mal mit dem Bus in die Innenstadt. Wenn ich da so eine kleine Ritterfigur aussuchen durfte, war ich glücklich. Und die heutigen Kinder? Selbst Hartz IV Kinder ersaufen oft in dem Haufen an Spielzeug. |
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23.02.2015 18:42 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #4
Ich stimme dem, was Borchert sagt, grundsätzlich zu. Arnos Ausführungen sind aber auch nicht von der Hand zu weisen. Die Ansprüche sind gestiegen. Weniger ist mehr? Heute kaum zu verkaufen. In diesem Zusammenhang müsste man meiner Meinung nach auch noch einmal kritisch auf den Begriff relative (!) Armut schauen. Problematischer als die relative Armut sehe ich das Auseinanderdriften von Arm und Reich in Deutschland. Eine geringere Spreizung auf niedrigerem Niveau müsste angestrebt werden. Materieller Konsum macht nicht glücklicher, zumindest nicht langfristig. Das kurzfristige Glücksgefühl, das Konsum schafft, kennen wir als Kinder unserer Zeit aber schon. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich primär alles um die Wirtschaft dreht. Arbeit und Wirtschaft sind natürlich wichtig. Wenn aber z.B. Familienleben durch eine zunehmende Ausweitung der Arbeitszeiten (Shopping 24/7, Ganztagsschulen, Ausdehnung der Öffnungszeiten in Betreuungseinrichtungen usw.) immer schwieriger wird und immer mehr Eltern durch ökonomische Zwänge (aber auch durch eigene Ansprüche) angehalten werden, beide zu arbeiten, muss das Zwischenmenschliche leiden. Was ist gut für den Menschen und das Zusammenleben in der Gesellschaft? Diese Fragen müssten mindestens gleichberechtigt einbezogen werden. Hier kommen wir aber auch in den Wertebereich. Welche Werte sind mir wichtig? Da gibt es natürlich zunehmend Unterschiede...
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23.02.2015 21:08 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #5
"Im Grunde fehlt einfach ein System, welches Geld nach (finanzieller) Leistungsfähigkeit (das muss nicht (nur) die Einkommenssteuer sein!) einsammelt und es dann ohne Beachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit verteilt..."
Was bitte ist "finanzielle Leistungsfähigkeit"? Fähigkeit ist immer etwas theoretisch Mögliches, was aber nicht unbedingt so in der Praxis auftritt. Unter nach Einkommen, Vermögen und Gewinn könnte ich mir etwas vorstellen. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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27.02.2015 03:32 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #6
Jürgen Borchert, „Sozialstaatsdämmerung“ Rezension von Johannes Resch
http://viertuerme.blogspot.de/2013/09/ju...erung.html |
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05.03.2015 21:15 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #7
Sehr geehrte Damen und Herren,Â
anbei erlaube ich mir zwei Links zur Anregung der aktuellen familienpolitischen Diskussion zu übersenden,  einmal zu einem Beitrag von mir auf der Internetseite des "Deutschen Arbeitgeberverbandes". Darin beschäftige ich mich damit, wie unser Staat die Folgen einer jahrzehntealten verfehlten Familienpolitik durch Verstaatlichung der Kindererziehung ausgleichen will - ein Unterfangen mit Entrechtung der Eltern.  Wer der Auffassung ist, dass ich darin zu weit gehe, kann gern antworten und das begründen. http://www.deutscherarbeitgeberverband.d...ehung.html Dazu eine weiterer Link zu einem Beitrag in der FAZ, der sich ebenfalls mit der "Ausbeutung der Eltern" und deren Folgen beschäftigt: http://www.faz.net/aktuell/politik/harte...50371.html Wer vergleichbare Mitteilungen oder Pressemeldungen unseres Verbandes nicht mehr erhalten will, bitte melden. Mit freundlichen Grüßen Johannes Resch Stellv. Vorsitzender Verband Familienarbeit e.V. www.familienarbeit-heute.de www.johannes-resch.de |
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03.01.2016 21:35 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #8
Viedeofolge zur Familienpolitik https://www.youtube.com/watch?v=eg7D4fn6...il&index=1
01 Die doppelte Kinderarmut - Jügen Borchert 02 Fehler in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung - Jürgen Borchert 03 Ist die Demographische Entwicklung wirklich ein Problem - Jürgen Borchert 04 Ist die demographischer Entwicklung durch Zuwanderung umkehrbar - Jürgen Borchert 05 Mehr Produktivität zur Bewältigung der Demographischen Entwicklung? - Jürgen Borchert 06 Folgen der Familienarmut - Jürgen Borchert 07 Warum sind Familien nicht im Fokus der Politik- Forsthoffsches Paradoxon - Jürgen Borchert 09 Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit als Lösung - Jürgen Borchert 10 Familienleistungen in Höhe von 200 Mrd - ist das richtig gerechnet Jürgen Borchert 11 Deutsche Familienleistungen im internationalen Vergleich 12 Trümmerfrauenurteil zur Rente - Familienlastenausgleich nicht ausreichend - Jürgen Borchert 13 Mythos 200 Mrd Familienleistungen - Kindergeld und Hinterbliebenenvorsorge Jürgen Borchert 14 Mythos 200 Mrd Familienleistungen - Beitragsfreie Mitversicherung - Jürgen Borchert 1 15 Sozialleistungsquote ist kein Maßstab - Jürgen Borchert 17 Regressive Steuerbelastung trifft Familien - Jürgen Borchert 18 Regressive Sozialabgeben - Jürgen Borchert 19 - Deutschland- Weltmeister der Ungerechtigkeit- Jürgen Borchert 20 Der horizontale Vergleich - Benachteiligung von Familien - Jürgen Borchert -- Von Viertürmeblog am 1/03/2016 09:31:00 nachm. unter Viertürmeblog für Radevormwald, Oberberg, Politik eingestellt http://viertuerme.blogspot.de/2016/01/fa...jugen.html |
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04.01.2016 07:14 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #9
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09.01.2016 11:19 RE: Jürgen Borchert zu Kinderarmut und Co.
Beitrag: #10
Erst mal braucht Deutschland Kinder!
Das Bildungssystem brauchen wir auch, aber dass kann auch Zuwanderer zu Fachkräften machen. Wer aber auf Zuwanderer setzt, setzt darauf, dass die Welt instabil bleibt und Menschen weiterhin zur Auswanderung aus ihrer Heimat genötigt werden. Es kann nicht Sinn machen, Konzepte auf den Fortbestand von Notlagen aufzubauen. Siehe dazu meine Antwort an Frau Merkels Neujahrsansprache. Ich finde es schade, dass die ÖDP nicht die Chancen nutzt, auf solches Wischi Waschi öffentlich mit guten Inhalten zu reagieren. http://viertuerme.blogspot.de/2016/01/me...-oder.html |
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