über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
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12.01.2014 23:59 über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #1
Aus Anlass der Diskussion "Abba-Star ruft zum Bargeld-Boykott auf" habe ich noch nach einem Text gesucht, die ich vor kurzem gelesen hatte. Ich habe es online wiedergefunden, und zwar betrifft es faktisch einen Ausschnitt aus einem Buch, worin ich in letzter Zeit lese (Helmut Creutz, Das Geldsyndrom 2012).
Der betreffende Online-Artikel ist Bestandteil einer Reihe ungemein interessanter Artikel, in die Fachleute über unser Geldsystem streiten. Der Untertitel lautet: Geld muss fließen, damit die Wirtschaft funktioniert. Wer es bunkert, sollte dafür zahlen müssen, statt Zinsen zu kassieren – Auftakt einer Diskussionsreihe über Geld, Zins und Alternativen zur herrschenden Wirtschaftsordnung
Es stand in der Zeit in 2007, und kann ich nur empfehlen. Ich fasse zusammen, und zwar fange ich beim ersten Beitrag von Helmut Creutz an, in die auch mein gesuchtes Zitat steht: Zitat:Für eine historische Umsetzung dieser Forderung [einer Geldhaltegebühr] steht das in der „Blüte des Hochmittelalters“ über einige Jahrhunderte in Mitteleuropa verwendete Dünnblechgeld, Brakteaten genannt, das ein bis zwei Mal im Jahr „verrufen“ wurde und gegen Abschlag eingetauscht werden musste.In seinem Buch fügt er an: "Da sich durch den regelmäßigen Geldumlauf und das Absinken der Zinsen die Wirtschaftslage zwangsläufig stabilisierte, wird mit diesen Brakteaten-Währungen häufig auch die Blüte des Hochmittelalters erklärt, und damit vor allem auch die Städtegründungen, der Bau von Kirchen und Kathedralen...". Mir fiel dabei ein, wie Felix Staratschek hier meinte, dass die Kathedralen entstanden, weil die Reichen ihr Geld für den Himmel angelegt hatten... Helmut Creutz plädiert in seinem Beitrag für eine Geldhaltegebühr und Nullzins. In seiner Erwiderung konzentriert sich Prof. Gebhard Kirchgässner (St. Gallen) auf die Nullzinsforderung. Auch er greift das Mittelalter auf: Zitat:Die Entwicklung im Mittelalter zeigt zweierlei: Zum einen hat die Tatsache, dass (offiziell) kein Zins verlangt werden durfte, nicht zu Wirtschaftswachstum geführt. Vielmehr kannte das Mittelalter trotz verschiedenster kultureller Hochleistungen eher stationäre Gesellschaften.Hm, stationäre Gesellschaften... Klingt nach Postwachstum. Kirchgässner erklärt nebenbei, was es mit der damaligen Verfolgung der Juden auf sich hatte. Die dritte, Frau Professor Brigitte Unger (Utrecht), erwidert wiederum Kirchgässner, der faktisch sagt: Zinsen seien der Lohn für Konsumverzicht und ermöglichen produktive Investitionen. Unger zitiere ich etwas ausführlicher. Zitat:Wäre Zins tatsächlich der Lohn für die Aufgabe von Liquidität, für das Aufschieben von Konsum und für sinnvolle Investitionen, dann hätte Kirchgässner Recht und der Vorschlag eines Schwundgeldes wäre absurd. Allerdings bestünden dann auch die Probleme nicht, die Schwundgeld lösen will. Würden alle finanziellen Mittel, die nicht konsumiert werden, von Unternehmern zu Realinvestitionen genutzt und würden die daraus resultierenden Güter und Dienstleistungen verkauft, dann florierten die Geschäfte, die Nachfrage nach Arbeit stiege und wir hätten keine ökonomischen Krisen.Was hier geschrieben wird entspricht ziemlich genau meiner eigenen Überlegungen: die Reichen müssen endlich/eigentlich ihr Geld ausgeben (zumindest Teile, die nicht in z.B. Aktien stecken). Denn: Zitat:Seit Mitte der 1980er Jahre steigen die Vermögen drastisch durch Finanztransaktionen, nicht so sehr durch realwirtschaftliche Investitionen. Es geht um Finanzkapital, nicht Realkapital, um Spekulation statt Unternehmertum, Aktienhandel statt Konsum, um Wahnsinnsgewinne ohne Arbeit. Götz Werner formuliert in seinem Beitrag eine sehr treffende Umschreibung von Geld: Zitat:Für viele Zeitgenossen ist noch zu wenig deutlich, worum es sich beim Geld eigentlich handelt: um eine Weltbuchhaltung von Leistungs- und weiteren sozialen Beziehungen der Menschen. Sie hilft, Probleme zu sehen und zu lösen. Die Hauptaufgabe des Geldes liegt in der Abrechnung von Güter- und Dienstleistungsströmen (kurz: Leistungsströmen) und macht uns bewusst, welche Menschen in welcher Weise an dem Füreinander der Leistungserstellung beteiligt sind. Sekundärfunktionen wie Wertaufbewahrung oder Wertmessung kann das Geld nur erfüllen, wenn es zuvor diese Primäraufgabe erfüllt.Auch er beklagt, dass heute viel zu große Geldmassen in spekulative Finanzanlagen fließen. Ansonsten: er folgt eine gut durchdachte Argumentationslogik, und sieht im Schwundgeld nicht die Lösung. Sein Grundeinkommen wird natürlich auch erwähnt. Stephan Schulmeister (Wien) schreibt in dieser Reihe den folgenden, verblüffenden Absatz: Zitat:Das Wörgl-Experiment war makroökonomisch richtig. Zu seiner Zeit war die Wachstumsrate negativ, auch der Zinssatz hätte also negativ werden müssen. Da der Nominalzins aber nicht negativ sein kann, wurde die Geldhaltung durch die „Schwundregel“ faktisch mit einem Negativzins belegt. Auch das Zinsverbot im Mittelalter machte Sinn, denn die Ökonomien wuchsen damals nicht. Aber: Die Überlegungen von Gesell sind nicht allgemeingültig, sondern nur für Depressionsphasen, die durch fallende Preise verschärft werden, relevant.Dies passt in sein (plausibles) Argumentationsschema, wonach die Zinsen immer niedriger sein müssen als die Wachstumsrate. Wenn die ÖDP (und ich) aber keinen Wachstum haben wollen, kommen wir (als Partei) nicht um die Akzeptanz von Nullzins herum (und Gebühr auf Geldhaltung). Ich belasse es dabei, die Artikelreihe erweist sich als deutlich größer als gedacht. Zwischenzeitlich fand ich ein Einstiegsportal zur Serie: http://www.zeit.de/serie/besser-wirtschaften . Auffallend mithin: viele Beiträge gehen auf das Wörgl-Experiment ein. So auch der Professor, der im letzten Beitrag auf verschiedene "Vorredner" eingeht, und eine Art Fazit zieht. |
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13.01.2014 06:36 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #2
Vielen Dank für die Recherche und die umfangreiche Darstellung! Muss jetzt erst einmal im Detail reinschauen.
Zitat:Wenn die ÖDP (und ich) aber keinen Wachstum haben wollen, kommen wir (als Partei) nicht um die Akzeptanz von Nullzins herum (und Gebühr auf Geldhaltung). Das ist eine hervorragende Kurzzusammenfassung bzw. Kurzthese, die das Politikfeld Geldpolitik mit Wirtschaftspolitik und Wachstumskritik verbindet. Daraus lässt sich viel machen. Das Problem bzw. die Herausforderung steckt darin, dazu ein Minimalverständnis für "Geld" zu schaffen und eine allgemeinverständliche Definition zu schaffen. Sonst erzeugen solche Überlegungen bei vielen die Panik, dass die ÖDP mit diesem Ansatz eine schleichende Enteignung durchführen wolle und die kleinen Bürger um ihre Ersparnisse bringen wolle / bringen werde. Ich finde dazu das Zitat von Götz hervorragend: Zitat:Für viele Zeitgenossen ist noch zu wenig deutlich, worum es sich beim Geld eigentlich handelt: um eine Weltbuchhaltung von Leistungs- und weiteren sozialen Beziehungen der Menschen. Sie hilft, Probleme zu sehen und zu lösen. Die Hauptaufgabe des Geldes liegt in der Abrechnung von Güter- und Dienstleistungsströmen (kurz: Leistungsströmen) und macht uns bewusst, welche Menschen in welcher Weise an dem Füreinander der Leistungserstellung beteiligt sind. Sekundärfunktionen wie Wertaufbewahrung oder Wertmessung kann das Geld nur erfüllen, wenn es zuvor diese Primäraufgabe erfüllt. Die in dem Zusammenhang mit zu betrachtenden Zusatzfragen sind für mich anschließend, a) ob Weltwährungen oder staatenübergreifende Wahrungen wie der EURO, Regionalwährungen (Region muss dazu definiert werden, im allg. kleiner als ein kompletter Staat) oder eine Mischung sinnvoller sind und b) wie man mit Banken und anderen real existierenden Geldsammeleinrichtungen (z.B. Hedgefonds) umgehen sollte. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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14.01.2014 21:16 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #3
Vorab: oben hatte ich Götz Werner versehentlich als Werner Götz geschrieben. Ist korrigiert - danke an einem Leser für den Hinweis.
Michael, in der Tat ist es so, dass ich zumindest jetzt zu der Verbindung von Geldpolitik und Wirtschaftspolitik gekommen bin. Es wird ja auch oft gesagt, dass der Zins einen Wachstumszwang beinhaltet. Ob dem tatsächlich so ist, kann ich schwer beurteilen. Auch da gehen die Meinungen auseinander, wie auch aus der Zeit-Reihe hervorgeht. Ergänzend muss ich auch sagen: was bezwecke ich mit den Überlegungen? Es gab ja einen anderen Anlass, und es stellt sich die Frage: müssen wir etwa Schwundgeld einführen? Schulmeister hat es ja auf den Punkt gebracht. In Deutschland gibt es keinen Bedarf (eher etwa in Griechenland). Oder: Wenn es um das Ziel "Postwachstumsgesellschaft" geht, kann man aus heutiger Sicht sagen: kein Handlungsbedarf. Die Zinsen liegen schon etwa bei Null. Und das Wirtschaftswachstum ebenso. Trotzdem muss eine Partei, die für Postwachstum steht, eine klar erkennbare Politiklinie haben. Denn (1) der jetzige Zustand kann sich auch wieder ändern (unwahrscheinlich, laut Larry Summers), und (2) Nullzins bedeutet verstärkte Spekulation, wenn es nicht mit Geldhaltegebühr einhergeht - siehe Einstiegsbeitrag. Und (3) Geldhaltungsgebühr kann einen Beitrag zur besseren Vermögensverteilung bedeuten (Vermögenssteuer ist da ein alternatives Instrument). Eine Politiklinie mit etwa Nullzins ist heikel, dessen bin ich mir bewusst. Auch in diesem Forum (und sein offizieller Vorgänger), gibt/gab es Äußerungen im Sinne von Sorgen um den kleinen Sparer bzw. schleichende Enteignung, oder auch in ÖDP-Infoblättern. Jegliche politische Steuerung muss in jedem Fall die Vermögenden ganz deutlich mehr "an die Kandare nehmen" als kleine Sparer. Aber... wir müssen ganz klar vor Augen führen, dass es nicht um "Bestrafung" fürs Sparen geht, sondern für Geldhaltung (Hortung)! Die Sparer müssen lediglich damit rechnen, dass ihr Geld keinen Wertzuwachs mehr erhalten soll, wenn wir eine stationäre Wirtschaft wollen. Auch dann ist Geld immer noch ein konkurrenzlos gutes Wertaufbewahrungsmittel, denn Konsumaufschub bedeutet auch: profitieren von Produktivitätssteigerungen, die Erzeugnisse preiswerter macht. Auch diese Feststellung relativiert alles Klagen über Wertverluste. Dazu kommt: es ist unmöglich, dass alle gleichzeitig sparen im Sinne von (verzinst) verleihen, irgendwer muss sich dafür verschulden - das hatten wir mal in anderen Beiträgen ausführlich erläutert. |
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14.01.2014 21:50 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #4
Zitat:Die Sparer müssen lediglich damit rechnen, dass ihr Geld keinen Wertzuwachs mehr erhalten soll, wenn wir eine stationäre Wirtschaft wollen. Nullzins plus Inflation ergibt auch Schwundgeld. Die Geldhortungsgebühr bzw. Geldaufbewahrungsgebühr bei den Banken wäre dann nur noch zusätzlich. Im Grunde ist es dann egal, ob man ein zu bezahlendes Schließfach in der Bank für sein Bargeld und seine Wertgegenstände hat oder eine Gebühr für die Geld-Cloud (= Konto) zahlt. Das Problem bei dem ständigen Wertverlust von jeglichem Geld ist allerdings, dass damit eine vernünftige individuelle Risikovorsorge und Altervorsorge schwieriger wird. Auch da gibt es Lösungen. M.E. wird das Kaufen von langlebigen Sachgegenständen mit potentiellem Wertzuwachs oder von Aktien oder von Wertgegenstände / Edelmetalle als Alternative genutzt werden. Problematischer sehe ich Kreditzinsen. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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15.01.2014 17:05 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #5
„Geld muss fließen, damit die Wirtschaft funktioniert.“ Das kann ich nachvollziehen. Aber das bedeutet auch Konsum, Konsum. Immer sinnvollen Konsum? Wenn für das „Horten“ von Geld „Strafzahlungen“ fällig werden, gebe ich mein Geld vielleicht lieber aus. Also ist dann nach drei Jahren das neue Handy fällig, obwohl das alte Handy noch seinen Dienst tut. Das wäre ökologisch fragwürdig. Das würde jedoch auch zeigen, dass ich eigentlich viel mehr Geld zur Verfügung habe, als ich brauche. Denn nur dann kann ich sparen (ich nehme jetzt an, dass für die Altersvorsorge schon gesorgt ist) oder aber unter Umständen weniger sinnvolle oder zumindest nicht unbedingt notwendige Investitionen tätigen (z.B. ein neues Handy alle zwei Jahre).
Schwundgeld hört sich gut an, auch der Nullzins. Was aber ist realistisch und politisch durchsetzbar? Ein großes Problem scheint die Akkumulation sehr großer Vermögen zu sein, Vermögen, die beim besten Willen nicht „verkonsumiert“ werden können. Zur Verringerung solcher Vermögen bietet sich eine wie auch immer gestaltete Vermögenssteuer an. Damit solch extreme Vermögen nicht entstehen, sollten vor allem die Möglichkeiten, mit Geld sehr viel Geld zu verdienen, vermindert werden. In diese Richtung zielt z.B. die Finanztransaktionssteuer. Ich könnte mir auch ein Verbot diverser Finanzprodukte vorstellen, die ohnehin keiner mehr durchschaut und die ohne jeden Bezug zur Realwirtschaft sind. Ich habe vor längerer Zeit einen Bericht über eine Volksbank oder etwas Ähnliches in irgendeinem Dorf gesehen. Der Filialleiter bot seinen Kunden folgende Produkte an: Konto, Sparbuch und ich glaube, man konnte auch Kredite aufnehmen. Das war's. Keine Aktien, keine Fonds, keine was weiß ich. Weniger ist mehr! Vielleicht wären Schritte in diese Richtung leichter zu realisieren als die Konzeption eines völlig neuen Geld- oder Finanzsystems, deren Funktionieren sich auch erst einmal in der Praxis bewähren müsste. |
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16.01.2014 00:17 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #6
(15.01.2014 17:05)Jürgen Koll schrieb: Also ist dann nach drei Jahren das neue Handy fällig, obwohl das alte Handy noch seinen Dienst tut. Das wäre ökologisch fragwürdig. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Thematik viele Facetten hat, und es nicht einfach ist, hier genau festzustellen, was vonnöten ist - wenn überhaupt. Wir sollten als Ausgangslage den Wunsch nach Nullzins annehmen, weil wir annehmen, dass dies den Wachstumszwang aus der Wirtschaft nehmen würde (vielfach wird argumentiert, dass die Rückzahlung von Krediten wg. der Notwendigkeit, auch die Zinszahlungen zu erwirtschaften, den Wachstumszwang "begründet"). Und Nullzins macht das Sparen (bei der Bank) unattraktiv. Oben habe ich bereits gesagt, dass niedrige Zinsen zur verstärkten Geldhortung führt (und u.a. zu Spekulationen). Siehe auch http://www.humane-wirtschaft.de/pdf_z/cr...bieten.pdf - S.2 Mitte: "Dieser bei zwei bis drei Prozent liegende Zinssockel ist gleichzeitig die Grenzmarke, bei der die Bereitschaft zum langfristigen Geldausleihen nachlässt und die Neigung zur Geldzurückhaltung einsetzt.". Aus diesem Grund muss das halten von (zuviel) Liquidität (oder Bargeld) unattraktiv gemacht werden. Das kann auch erreicht werden, indem eine bewusste Inflation (ca. 2%) anvisiert wird. Damit echte Spargelder nicht entwertet werden, muss der Zins dann aber nicht weniger als 2% betragen (aber auch nicht mehr). Der Realzins wäre dann etwa null. Ob dies effektiv auch einen "Zwang zum Wirtschaftswachstum" unterbindet? Offene Frage. Zurück zum Handy-Beispiel. Da gibt es scheinbar einen Paradox mit dem Ziel einer Wirtschaft der eher stationär ist. Man kann das so sehen: Wenn ein Wachstumszwang wie auch immer "gebannt" ist, wird in der Tendenz weniger produziert, und in der Folge wird weniger Arbeitsleistung vonnöten sein (Arbeitszeitverkürzung). Wenn dann gerufen wird: aber der Lohn sinkt dann! - so ist meine Antwort: Wenn weniger erwirtschaftet wird, werden logischerweise weniger Leistungen (Güter) ausgetauscht. Da Geld faktisch primär ein Hilfsmittel ist (siehe Zitat Götz Werner im Erstbeitrag) wird geringeres "Geschäftsvolumen" eben mit weniger Geldumsätze (bzw. Einkommen) gleichgesetzt. Und so wird der verstärkte Ausgabedrang (Konsumdrang) bei Geld, dass Wertverlust unterliegt, quasi (mit Verzögerung!) von selbst kompensiert, eben wenn mit dieser Maßnahme die Wirtschaftsaktivität nicht mehr immer weiter steigt (man denke nur daran, dass z.B. eine Staatsschuldenquote bei steigendem BIP sinkt). Die Verzögerung greift v.a. dann, wenn eine Wirtschaft sich in einer Rezession befindet, und/oder viel Liquidität (Geldzurückhaltung) vorhanden ist (siehe Zitat Schulmeister im Erstbeitrag): Dann gibt es zunächst eine Belebung, siehe Wörgl. |
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16.01.2014 22:03 RE: über unser Geldsystem: Besser wirtschaften
Beitrag: #7
(14.01.2014 21:16)rjmaris schrieb: Ergänzend muss ich auch sagen: was bezwecke ich mit den Überlegungen? ..... Die oben zitierte Aussage, die "Postwachstum" an den Anfang weitreichender geld- und wirtschaftspolitischer Überlegungen stellt, führt mich zu einer grundsätzlichen Frage, die man in einem anderen Themenstrang vertiefen sollte. Was ist eigentlich "Postwachstum"?Ich mag prinzipiell das deutsch-lateinische Mischwort Postwachstum(sökonomie) nicht, ich muss dabei immer an ein Wirtschaftssystem mit Vergrößerung des deutschen Brief- und Paketlogistikunternehmens denken. Es ist mir auch zu sehr Schlagwort. Gibt es denn in der einschlägigen Literatur keinen exakteren und besser verständlichen Begriff ? Vielleicht hilft ein simpler Versuch: "Statt bisheriger wirtschaftswachstumsabhängiger Ökonomie eine ........ Ökonomie." An die freie Stelle kann man jetzt ein passendes Wort setzen: - wachstumsunabhängige - wachstumsbegrenzte - ressourcenschonende - nachhaltige - konsumgüterreduzierte - ... Die ÖDP ist nach meiner Wahrnehmung primär aus ökologischen Gründen gegen Wirtschaftswachstum, weil der dadurch verursachte Ressourcenverbrauch im "Raumschiff Erde" und die Umweltbelastung zu hoch ist. Hinzu kommt eine eher philosophisch/werteorientiert abgeleitete emotionale Grundstimmung prinzipiell gegen Konsum und deshalb auch gegen Wirtschaftswachstum durch Konsumgüterproduktion und deren Nutzung. Abgerundet wird das durch emotionale Bejahung vieler von Garten, Kleinlandwirtschaft und Selbstversorgung. Deshalb findet das Paechsche Modell auch so viel Zustimmung. Das ist aber m.E. nur eine denkbare Interpretation hin zu einem Wirtschaftwssystem, das nicht von permanenntem Wachstum abhängig ist. Wenn man den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung in den Griff bekommt, z.B. durch Investitionen in moderne Technik, könnte man m.E. mit einem gewissen Wirtschaftswachstum leben. Letztlich ist Wirtschaftswachstum eine reine Rechengröße. Investieren in solche Umwelttechnik wäre zugleich quasi das moderne Gegenstück zum "konsumfreien Geldausgeben und Arbeit Schaffen durch Bauen für die Ewigkeit" (Kirchen) von F. Staratschek, aber das Problem ist, dass Privatpersonen wohl nur selten freiwillig Teile ihrer Geldhortungen (Sparvermögen) oder des Einkommens für etwas ausgeben würden, was persönlich nicht unmittelbar ein erfreuliches Erlebnis vermittelt. Die Spenden und sonstige freiwilligen Ausgaben für Kirchen wurden wohl dadurch erreicht, dass dafür die Belohnung im Jenseits in Aussicht gestellt wurde oder erhofft wurde. Also letztlich eine Sonderform von Konsum, die aber viel Arbeit verschafft hat. Jetzt müsste man einen Weg finden, dass Geldausgeben für eine sinnvolle öffentliche Einrichtung / Maßnahme dem positiven persönlichen Gefühl bei Erwerb von Konsumartikeln nahekommt. Bekommt man vermutlich nur durch ein System öffentlicher Anerkennung (Prestige)und Belohnungen hin. Insofern fände ich es gut, wenn wir zuerst einmal den an den Anfang gestellten Begriff "Postwachstum" als wesentliches politisches Ziel der ÖDP mit einer präzisen Definition füllen würden. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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