Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
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08.05.2014 08:30 Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
Beitrag: #1
Das Erlernen der Rechtschreibung durch Hören ist umstritten. Ich habe gelesen, dass die neue Methode der herkömmlichen zwar nicht überlegen, aber auch nicht unterlegen sein soll. Ich erinnere mich aber auch, in einer Obdachlosenzeitschrift einen Bericht gelesen zu haben, der über die Einführung dieser Methode berichtete. Darin wurde geschrieben, dass erste Erfahrungen (übrigens in Bayern) schlecht gewesen sein sollen, die Methode aber dennoch eingeführt wurde, weil man die Lehrer für die Probleme verantwortlich gemacht habe. Natürlich ist jede Methode nur so gut, wie derjenige, der sie anwendet.
Bei der Abrechnung mit dieser Methode, die Martenstein hier schreibt, fand ich vor allem folgende Passage interessant: Offenbar steuern wir auf eine Gesellschaft ohne Erfolgsdruck, ohne ehrliche Antworten und ohne Rechtschreibung zu. Damit komme ich klar, sofern man wenigstens ein paar Sonderschulen einrichtet, für Leute, die später mal Pilot, Lokführer oder Arzt werden. Da hätte ich es gerne, wenn die sich früh daran gewöhnt haben, unter Erfolgsdruck zu arbeiten. Bewertungen, vor allem natürlich schlechte, werden von manchen als Beschämung oder Demotivation gewertet. Ein gegliedertes Schulsystem gilt einigen als reaktionär. Entsprechend fallen Diskussionen und Maßnahmen in der Bildungspolitik bisweilen aus: Die Abschaffung der „Kopfnoten“ in NRW, die Diskussion um Ziffernnoten oder das Sitzenbleiben... Der Spaß, die Selbststeuerung stehen im Vordergrund. Kein Kind soll zurückgelassen werden. Am besten wäre es wohl, wenn jeder Mensch Abitur machen und studieren würde. Die Anforderungen unserer Gesellschaft, im Arbeitsleben sind dann aber oft ganz andere. Martenstein stellt das schön heraus: Man soll aber auch ein paar Piloten, Lokführer und Ärzte zulassen, die ohne Erfolgsdruck und mit viel Freude die Rächtschraibung erlernt haben, in diesen Flugzeugen und Zügen müssen dann die deutschen Bildungsreformer reisen. Wenn aber das Flugzeug in Turbulenzen gerät, und die Bildungsreformer kriegen Angst, dann dürfen ihnen die Stewardessen auf ihre Fragen immer nur ausweichend antworten. Stürzt das Flugzeug ab, dann soll der Pilot sich kurz in der Tür zeigen und sagen: »Der Flug ist nicht perfekt verlaufen. Aber ich war mit viel Freude bei der Sache.« Ich habe mal in einer Fortbildung den Referenten sinngemäß folgendes sagen hören: Die wichtigsten Dinge, die Schüler heute erwerben müssten, seien Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und Bedürfnisaufschub. Dies würde aber dem Zeitgeist völlig entgegenlaufen. Aber es seien diese Fähigkeiten, die letztlich in der Ausbildung und im Studium über Erfolg oder Misserfolg entscheiden würden. Und diese Fähigkeiten müssten trainiert werden. Aber wie soll man Frustrationstoleranz erlernen, wenn Hürden weggenommen werden? Wie soll ich Bedürfnisaufschub lernen, wenn ich alles selbst steuern kann? Wie soll ich Selbstkontrolle erlernen, wenn diese gar nicht mehr verlangt wird? |
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10.05.2014 09:22 RE: Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
Beitrag: #2
Das zweite Martenstein-Zitat habe ich erst verstanden als ich den Originalbeitrag las. Es ist also als Analogie zu der "anforderungslose" Art des Beibringens der Rechtschreibung gedacht, und eben dessen Folgen. Nicht auf Flugzeugturbulenzen etwa, weil die Besatzung Leseschwierigkeiten hätte, so meine erste Interpretation.
Das mit der Rechtschreibung betrachte ich als Beispiel für ein Phänomen, das um sich greift, um es mal so auszudrücken. Zwei der drei genannten Tugenden betrachte ich auch als essenziell. Bei Frustrationstoleranz ist festzuhalten, dass ohne diesen Beziehungen scheitern, was man ja allerorten sieht, mit der Folge, dass z.B. Kindern eine gebrochene Familie zugemutet wird. Bedürfnisaufschub als Fähigkeit ist auch sehr wichtig. Heute wollen Menschen etwas das sie haben wollen am Liebsten umgehend haben. In diesem Zusammenhang ist der Begriff "Geduld" passend. Mir fällt dazu ein sehr passendes Interview mit einem Verhaltensforscher ein, unbedingt lesenswert: Zitat:Wir wissen aus Studien, dass geduldige Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit bessere Bildungsabschlüsse erwerben, mehr verdienen, seltener Alkoholiker oder spielsüchtig werden und stabilere Beziehungen führen. Geduld kann glücklich machen. Wer von Kind an gelernt hat, geduldiger zu sein, ist später insgesamt ein zufriedenerer Mensch.Im Rahmen des Themas angemerkt: so kurzsichtig also sind unsere heutige Bildungsansätze... Weiter: Zitat:ZEIT ONLINE: Ab welchem Alter entscheidet sich denn, ob ich ein geduldiger Mensch werde oder nicht? So sind wir zurück beim direkten Anlass: Man kann es als eminent wichtig ansehen, dass Kinder von Anfang der Grundschule an ähnlich Rechtschreibung lernen wie es traditionell beigebracht wurde. Eben auch, weil dabei Geduld, Ausdauer und nicht Aufgeben ob der gemachten Fehler beigebracht wird. Ein weiterer Punkt, den ich für sehr wichtig halte: Langeweile lernen. Viele Kinder können sich heute nicht einfach mit sich selbst beschäftigen. Krass fand ich ein Beispiel von Eltern, die mit ihren Sprösslingen in den Gottesdienst gegangen sind, nicht etwa weil sie Christen/Gläubige wären, sondern weil sie ihren Kindern die Kunst der Langeweile quasi vermitteln wollen. Wir steuern langsam aber sicher in eine ungemütliche Gesellschaft hinein. Vor einiger Zeit geisterte in einigen Pressebeiträgen und Büchern eine Begrifflichkeit wie "kalte Kinder" herum. Daran musste ich gerade denken. Ohne in ein früher-war-alles-besser zu verfallen meine ich schon, dass dieses Stereotyp im Rahmen des Themas kaum geleugnet werden kann. Jürgen, danke für den Anstoß. |
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10.05.2014 15:16 RE: Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
Beitrag: #3
Zitat:Das Erlernen der Rechtschreibung durch Hören ist umstritten. Ich habe gelesen, dass die neue Methode der herkömmlichen zwar nicht überlegen, aber auch nicht unterlegen sein soll. Ich erinnere mich aber auch, in einer Obdachlosenzeitschrift einen Bericht gelesen zu haben, der über die Einführung dieser Methode berichtete. Darin wurde geschrieben, dass erste Erfahrungen (übrigens in Bayern) schlecht gewesen sein sollen, Es ist doch offensichtlich, dass es nicht funktionieren kann, wenn Sprache und Schrift im Alltag so deutlich abweichen wie in Bayern oder Sachsen. Da helfen auch nicht die paar Lehrer, die es mit einer Variante von Hochdeutsch probieren. Zitat:Ich habe mal in einer Fortbildung den Referenten sinngemäß folgendes sagen hören: Die wichtigsten Dinge, die Schüler heute erwerben müssten, seien Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und Bedürfnisaufschub. Gilt nicht nur für Schüler. Zitat:Vor einiger Zeit geisterte in einigen Pressebeiträgen und Büchern eine Begrifflichkeit wie "kalte Kinder" herum. Ich habe mal schnell gegoogelt. Was da unter dem Stichwort beschrieben wird, ist m.E. nicht wirklich neu. http://suite101.de/article/ingrid-eissel...der-a56359 Es ist allerdings im Widerspruch zu dem deutschen romantisierenden Bild von Kindern und dem Klischee einer "glücklichen Kindheit". Kinder und Jugendliche waren und sind schon immer brutal zueinander und oft auch nach außen. Mag sein, das sich jetzt das altesmäßig etwas nach unten verschoben hat. Findet man ausgeprägt in den Kinderbanden und unter Kindersoldaten weltweit, weniger ausgeprägt in normalen Gesellschaften. Die Frage ist, ob die ältere Generation das durchgehen lässt oder fördert. Und genau da ist bei unserer Einzelkindgesellschaft mit frühzeitigem Abgeben der Kinder in Erziehungseinrichtungen das Problem. Wir haben kein Kinderproblem, sondern ein Erziehungsproblem bzw. eine Überforderung und ein Versagen der Erziehungsverpflichteten und der Politik. Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
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11.05.2014 16:22 RE: Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
Beitrag: #4
@ rjmaris: Ein sehr interessantes Interview, das gut zu dem passt, was der Referent damals sagte.
Allerdings gibt es auch zu denken, wenn es stimmen sollte, dass die ntwicklung der Geduld so früh abgeschlossen sein sollte. Von dem, was man so hört, läuft es in manchen Kindergärten und Grundschulen eher anders ab. In dem Zusammenhang sind auch die Bücher von Michael Winterhoff zu empfehlen. "Die Frage ist, ob die ältere Generation das durchgehen lässt oder fördert. Und genau da ist bei unserer Einzelkindgesellschaft mit frühzeitigem Abgeben der Kinder in Erziehungseinrichtungen das Problem. Wir haben kein Kinderproblem, sondern ein Erziehungsproblem bzw. eine Überforderung und ein Versagen der Erziehungsverpflichteten und der Politik." Das sehe ich auch so. Der Staat glaubt über die Schule und sonstige Einrichtungen alles auffangen zu können. Eine Irrmeinung, wie ich glaube. Auch das „beste“ staatliche Versorgungssystem (Krippe ab 3 Monaten, Kindergarten, Ganztagsschule) wird keine Familie ersetzen können. Diese ist aber aus meiner Sicht für die Entwicklung eines Kindes und seine Bildungsfähigkeit von großer Bedeutung. Eine gute Bildungspolitik setzt meiner Meinung nach daher schon viel früher an. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft familienfreundlich wird, nicht die Familie wirtschaftsfreundlich. Das heißt für mich: Löhne, von denen man eine Familie ernähren kann (Mindestlöhne), weitgehend berechenbare Arbeitsverhältnisse (Zurückdrängen der Leiharbeit und Werkverträge), Erziehungsgehalt (um Wahlfreiheit zu ermöglichen), gute Arbeitsmarktpolitik, Beratungsangebote. Auch die Tendenz in Richtung einer Gesellschaft, die sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag produziert und konsumiert, sehe ich kritisch (Öffnungszeiten, Schutz des Sonntags). Allerdings kann der Staat nur Rahmenbedingungen setzen. Werte kann er nicht vorgeben oder erzeugen. Dennoch können Parteien für bestimmte Werte eintreten und Konzepte entwickeln, die diese Werte zwar nicht vorgeben oder erzwingen (das wäre problematisch), aber zumindest ermöglichen. So sehe ich z.B. das Erziehungsgehalt der ÖDP: Es ermöglicht die Betreuung eines Kindes zu Hause, erzwingt sie aber nicht (wie es z.B. der Fall wäre, wenn es nur für die Betreuung zu Hause Geld geben würde). Dann kann man ja sehen, wie die Menschen sich entscheiden. Auch in der Bildungspolitik könnte man in manchen Punkten gegen den Strom schwimmen. Das würde nicht den Beifall bestimmter Medien und Eliten finden, es würde vielleicht auch nicht als modern oder innovativ gelten, würde aber manches Mal eher dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Dafür gilt es aber auch, Mut zu haben, im Medienmainstream weniger populäre Positionen zu vertreten, schlimmstenfalls vielleicht sogar als "reaktionär" oder "rechts" zu gelten. |
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07.11.2015 19:04 RE: Rechtschreibung, Frustrationstoleranz und das Rüstzeug fürs Leben
Beitrag: #5
Ich bin in diesem Themenbereich bzw. Zusammenhang strikt gegen die Abschaffung der Handschrift im Unterrichtsplan der Grundschulen! Dies ist ein typisch pseudo-moderner postmoderner und links-liberaler Unsinn!
Als allgemeines Schul-Vorbild empfehle ich die wertkonservativen Schulen und Schulformen in Sachsen und Thüringen, wo es bis heute deutschlandweit die besten Schüler gibt! Sogar noch vor den an sich bislang durchaus guten bis sehr guten Schülern in Bayern und Baden-Würtemberg! Das liegt daran, dass sich die Schulen in Sachsen und Thüringen wie auch Finnland, Sieger bzw. Rangerster der internationalen PISA Studie, an den hervorragenden DDR Schulen orientiert haben! Das Erfolgsgeheimnis ist dabei die wertkonservative Grundausrichtung (klassisch humanistische Bildung) und Lern- und Arbeitsdisziplin und Ordnung in Kombination mit progressiven Lehr-, und Lern- und Unterrichtsmethoden als wirklich moderner und zukunftstauglicher Ausbildung! Das ist ein zukunftstaugliches Vorbild für das gesamte Deutsche Schulsystem, nicht die kruden links-liberalen und anti-autoritären postmodernen werte-relativistischen und irrationalen unvernünftigen Alt-68er Ideologien und Ideen etwa der rot-grünen Landesregierung in Baden-Würtemberg! Deren Gipfel bzw. Tiefpunkt die irrationale und psychologisch für die Entwicklung der Kinder schädliche Gender Ideologie und das ideologische Gender Mainstreaming mit Zwangs- und Frühsexualisierung der Kinder bzw. Schüler ist! Aus der Schweiz http://www.zeit-fragen.ch Zeit-Fragen Magazin u.a. auch zu Schule und Bildung und Pädagogik und Didaktik und Erziehung und Kinder und Lehrplänen und Unterrichtsmethoden aus einer wertkonservativen und christlich humanistischen Perspektive! Für ein Renaissance gerade auch der klassisch humanistischen Bildung und Kulturtechniken und einer allgemeinen Ausbildung in grundlegender Logik und Philosophie und Geisteswissenschaften! |
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