Sozialpolitik
|
|
01.11.2013 06:03 Sozialpolitik
Beitrag: #1
Nachtrag der Moderation: In Einvernehmen mit Arno Kohlert wurde dieser Thread nun im Wesentlichen auf den Einstiegsbeitrag beschränkt. Die, die Anregungen zu einer besseren Handhabung gemacht (ein Gast) bzw. umgesetzt haben (M. Mittelstädt): Dank dafür. Das Thema ist aufgeteilt in zutreffenden Unterforen, und zwar sind hernach nach jedem Abschnitt Links zum betreffenden Diskussionsstrang gegeben.
Liebes Forum- hiermit stelle ich ein Thesenpapier aus unserem Kreisverband vor: Forderungskatalog für eine gerechtere Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik in der Bundesrepublik Deutschland I. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik • Verankerung eines Rechts auf Arbeit im Grundgesetz durch Einführung und konsequente Gewährleistung eines 2. Arbeitsmarktes für alle arbeitswilligen in Deutschland lebenden Personen zwischen 16 und 70 Jahren (analog des Rechts auf Arbeit für geistig behinderte Menschen in sogenannten WfbM (Werkstätten für behinderte Menschen)); Bezahlung analog  Mindestlohnregelung (siehe weiter unten) • Abkehr von der „Sanktionierung“ im SGB II („Hartz IV“), allerdings strikte Beachtung des Rechts auf Arbeit; die nicht arbeiten möchten erhalten eine gegenüber tariflichem bzw. gesetzlichen Mindestlohn (deutlich) gesenkte Grundsicherung; eine Pflicht zur Arbeit oder Qualifizierung besteht hierfür nicht. Durch diese Änderung werden gleichzeitig enorme Verwaltungskosten eingespart, die u.a. für die Finanzierung des 2. Arbeitsmarktes verwendet werden können. • Senkung der Sozialabgaben im Bereich der Arbeitslosenversicherung (SGBIII – Arbeitslosengeld I), da diese Leistung ohnehin zeitlich eng befristet ist(i.d.R. 1 Jahr); Ausgaben zur notwendigen Bildung und Qualifizierung sind aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren, da diese Investitionen der Gesamtgesellschaft zu Gute kommen • keine Praktika oder Beschäftigungen ohne adäquate Vergütung durch die Betriebe (siehe Mindestlohnregelung weiter unten) • Vorzug einer generellen Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen gegenüber einem gesetzlich flächendeckenden Mindestlohn (ohne Beachtung, ob im konkreten Betrieb entsprechende Gewerkschafts- oder AG-Vertretungen vorhanden sind) • bei Festsetzung eines gesetzlich flächendeckenden Mindestlohns / einer generellen Allgemeinverbindlichkeitserklärung für alle in Deutschland arbeitenden Personen (egal, in welchem Land der Arbeitgeber seinen Firmensitz hat) erfolgt parallel hierzu eine Verschärfung der gesetzlichen Kontrollen (insbesondere Personalaufstockung der zuständigen Zollbehörden) und eine konsequente Sanktionierung bei Verstößen gegenüber illegaler Beschäftigung  („Schwarzarbeit und sogenannter Schattenwirtschaft“) • verschärfte gesetzliche Vorschriften bei Arbeitnehmerüberlassung, Scheinselbständigkeiten, geringfügigen Beschäftigungen und Werkverträgen Bis hier: http://www.oedp-forum.de/bb/showthread.p...170#pid170 • Einführung der 6-jährigen gemeinsamen Primarstufe für alle (ggf. auch 5 Jahre) • eine Forderung, die derzeit als Kontrapunkt zur offiziellen ÖDP-Politik steht: Beibehaltung der bisherigen mehrgliedrigen Schulformen (unbedingter Erhalt und Förderung der Förder-, Haupt- und Realschulen gegenüber Gesamt-, Sekundarschulen und Gymnasien) zur Vermeidung eines „Einheitsbreies“, bei dem sich schwache Schüler überfordert fühlen, gute Schüler jedoch einer permanenten Unterforderungsgefahr unterliegen Dieser Abschnitt: http://www.oedp-forum.de/bb/showthread.p...171#pid171 II. Gesundheits- und Pflegepolitik • Deutliche Hebung und dauerhafte Anpassung des Pflegeversicherungssatzes bis zu einem ausreichenden Niveau, durch welches häusliche, ambulante und stationäre Pflege inclusive der unbedingt erforderlichen persönlichen Betreuung und Zuwendung für jeden Einzelfall realisierbar ist • Anpassung des Gehalts von Medizin-, Pflege-, Betreuungs- und Sozialfachkräften auf ein Niveau, dass dem Anforderungsprofil entspricht (mindestens dem jeweiligen Führungs-bzw. Facharbeiterniveau der Chemie- und Pharma- bzw. der  Elektro- und Metallindustrie in Deutschland); Hinweis: das durchschnittliche Arbeitnehmerbruttogehalt in der Berufsgruppe der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Altenpfleger, Erzieher und Sozialarbeiter hat sich in den letzten, statistisch vorliegenden, 12 Jahre (1999 – 2011) nicht nur nicht erhöht, sondern ist sogar noch um ca. 50 € gesunken (ca. 2200 € monatlich). Dies ist kein Anreiz, um motivierte, engagierte und leistungsorientierte neue Personen für die zahlenmäßig stark steigenden freien Stellen anzuwerben bzw. die bereits dort Beschäftigten auf Dauer dort zu halten. • Angleichung aller Pflegestufensätze bei häuslicher, ambulanter und stationärer Pflege auf ein einheitliches Niveau, so dass auch finanziell Wahlfreiheit im Einzelfall (insbesondere bei der Entscheidung der Angehörigen bzgl. der Pflegeform) besteht • Verpflichtung zum Besuch eines zertifizierten, von der Pflegeversicherung finanzierten, Pflegegrundkurses bei häuslicher Pflege; regelmäßige Prüfung der Grundversorgung und des Gesamtzustandes des Gepflegten durch staatliche Fachkräfte bei häuslicher Pflege sowie, falls notwendig oder gewünscht, einer regelmäßigen Pflegeberatung und zeitnahen, dauerhaften Unterstützung bei „Auszeiten“ des Pflegenden • Anpassung der „Pflege-TÜV“-Kriterien hin zu Prüfungen der Pflegepraxis anstelle dokumentierter Pflegetheorie in der stationären, aber auch ambulanten Pflege • Absolutes Erbverbot für professionelle Pflegekräfte und deren Ehe- oder Lebenspartnern bei Hinterlassenschaften der Gepflegten zur Vermeidung von Begünstigungen durch Pflegeabhängige (analog der Vermeidung von Begünstigungen im öffentlichen Dienstrecht) • Konsequenter und stringent umsetzbarer Patientenarzneimittelschutz (Beweislast muss eindeutiger bei der Pharmaindustrie liegen als bisher – derzeit kann bei Vorliegen eines weiteren Risikokriteriums (z.B. Bluthochdruck, Raucher, Übergewichtigkeit) neben einer möglichen Medikamentenursache der Pharmahersteller immer noch Beweislast umkehren) – europaweite Regelung • Einheitlich festgesetzte Medikamentenpreise innerhalb der europäischen Gemeinschaft • Eine gesetzliche Krankenversicherung für alle analog der einheitlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung; es macht keinen Sinn, dass sich Krankenkassen untereinander einen Wettbewerb um die immer weniger werdenden „jungen Fitten“ machen und diese anzuwerben versuchen; die frei werdenden Mittel aus Werbung und insbesondere Selbstverwaltung können direkt in die Bewilligung von Krankenversicherungsleistungen einfließen Dieser Abschnitt: http://www.oedp-forum.de/bb/showthread.p...172#pid172 • Konsequente Einbeziehung von Ehrenamt-, Pflege- , Betreuungs- und sonstigen, nicht entlohnten, jedoch nachgewiesenen Aufwendungszeiten in die gesetzliche Rentenversicherung (analog der Erziehungszeiten für Kinder) Dieser Abschnitt: http://www.oedp-forum.de/bb/showthread.p...173#pid173 III. I und II beeinflussende Faktoren in angelagerten Politikfeldern, die zur Umsetzung gelangen sollen • Abkehr  vom strikten Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit im öffentlichen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen. Nicht im Kalenderjahr verausgabte Haushaltsmittel können bis zu einem Prozentsatz von 30-40 % in das nächste Haushaltsjahr übertragen werden. Dadurch werden die jährlich wiederkehrende „Torschlusspanik“ im öffentlichen Haushaltswesen sowie eine „das Geldmussraus“-Politik zum Jahresende vermieden • Verrechnungsmöglichkeit sogenannter „Passiv-Leistungen“ (verpflichtende Sozialleistungszahlungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe) mit Aktiv-Leistungen“ (Kann- und Ermessensleistungen wie Fortbildungen und Qualifizierungen) im öffentlichen Sozialsektor des Bundes, der Länder und der Kommunen. Einsparungen bei Passivleistungen erhöhen den Spielraum für Kann-Leistungen und damit die Möglichkeiten zur individuellen Förderung (Erweiterung des Haushaltsgrundsatzes des Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) • Reduzierung des föderalistischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland auf das absolut notwendige Maß: Spätestens durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 ist das Bund-/Ländergefüge mit mittlerweile 16 Bundesländern völlig außer (politischer) Kontrolle geraten. Die Tendenzen, dass bundespolitische Entscheidungen im Bundesrat regelmäßig scheitern und sich damit die politischen Lager gegenseitig „schachmatt“ setzen bzw. sich gegenseitig die Schuld zuschieben, notwendige politische Änderungen nicht vornehmen zu können, nimmt absurde Formen an. Die derzeitige 3-Stufigkeit von Bundes-, Landes- und Kommunalkompetenzen führt regelmäßig zu Kompetenzgerangel und Schnittstellenproblematiken (siehe Schul- und Erziehungspolitik, Kultur, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik etc.). Diese werden verschärft durch eine wachsende 4. Ebene „Europapolitik und – parlament“, die ebenfalls zunehmend für sich mehr Kompetenzen und Verwaltungshoheit einfordert. Hinzu kommen immense Ausgaben an (unnötigen und aufgeblähten) Landesverwaltungen und Landesregierungen und unmittelbaren und mittelbaren Landesbehörden, die nur deshalb auftreten, weil die Regelungen so sind wie sie sind. Durch die freiwerdenden Gelder nach weitest gehender Abschaffung  / straffer Reduzierung der Mittelinstanzen (Bundesländer) stehen Finanzierungsmöglichkeiten im hochstelligen Milliardenbereich zur Verfügung, die dann sinnvoll von den beiden verbleibenden Ebenen (Staat und kommunaler Verwaltung) für dringend notwendige Investitionen (Arbeits-, Sozial- und Gesundheitspolitik Umweltschutz, Energieversorgung, staatliche und kommunale Infrastruktur) eingesetzt werden können Fazit: Das derzeit gültige föderalistische System in der Bundesrepublik Deutschland stammt aus der Nachkriegszeit und ist entstanden aus Erfahrungen der Weimarer Republik und des NS-Regimes und hatte damals sicherlich seine Berechtigung. Mittlerweile hat es sich  überlebt und ist heutzutage, wie oben aufgeführt, eher stark hinderlich und nicht mehr system- finanz- und gesellschaftsdienlich. Durch die Reduzierung auf eine Europa-, eine Bundes- und eine kommunale Ebene wird dem Rechenschaft getragen und gleichzeitig dafür gesorgt, dass Haushaltsmittel in sehr beträchtlichem Umfang (mindestens2-stellige Milliardenbeträge) freigemacht werden für wirklich wichtige Investitionen. • Konsequente Schaffung  bzw. Rückführung auf kleine, überschaubare Einheiten: Damit weg von immer größeren Verwaltungs-, Lern- und Wohneinheiten und ein „Hin“ zu mehr Übersichtlichkeit, überschaubare Gemeinschaft, ein „sich kennen“ und „sich verantwortlich für den anderen“ fühlen. Weg von Anonymität und verwaltet werden – hin zu persönlichem Kennen und Vertrauen. Diese Grundsätze sollen der Maßstab für das generelle politische Handeln in der Bundesrepublik Deutschland sein und einer zunehmenden Anonymisierung und Nichtüberschaubarkeit entgegenwirken. Dieser Abschnitt: http://www.oedp-forum.de/bb/showthread.p...174#pid174 Die hier unter I bis III aufgeführten Forderungen können nicht als abschließende Aufzählung betrachtet werden. Vielmehr gilt es darüber hinaus weitere wichtige Fragen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik zu analysieren und entsprechende Änderungsvorschläge zu formulieren. Darüber hinaus ist eine präzise Ausformulierung der o.g. aufgeführten Punkte notwendig. Die Forderungen sollten daher als Anregung zur weiterführenden politischen Diskussion betrachtet werden, können aber auch als politischer Forderungskatalog für ein Grundsatzthesen der ÖDP im Teilbereich der AM- und Sozial- sowie der Gesundheits- und Pflegepolitik dienen. Insbesondere die notwendigen Rahmenbedingungen (siehe Punkt III) sind aus Sicht des Verfassers hierbei als äußerst wichtig und hilfreich zu betrachten, um die notwendigen finanziellen und politischen Entscheidungsspielräume und damit eine realistische Umsetzung zu ermöglichen Erstellt: Kurt Rieder / ÖDP-Kreisgruppe Aachen-Düren-Heinsberg  Stolberg, den 29.10.2013 |
n. oben |
|
11.11.2013 21:02 RE: Sozialpolitik
Beitrag: #2
Dieser Beitrag wurde wie gewünscht geschlossen. Es besteht die Möglichkeit, die einzelnen Thesen in den oben angegebenen Forumbereichen zu diskutieren.
Letztendlich werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir lieben nur, was wir verstehen. Wir werden nur das verstehen, was man uns lehrt. (Original in Englisch von Baba Dioum ( Senegal) vor der Generalversammung der International Union for Conservation of Nature, New Delhi, 1968 ) |
n. oben |