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ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Druckversion

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ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Arno Kohlert - 04.11.2013 19:28

Hinweis: in Einvermehmen mit dem Autor wurde dieser Beitrag aus "Soziales" herausgetrennt, und hierher verschoben (siehe Folgebeitrag, der als Einstiegsbeitrag in diesem Thema zu verstehen ist! - Die Reihenfolge richtet sich nach dem Einstelldatum - rjmaris)

Die Abschaffung der Bundesländer wäre allein schon aus rechtlichen Gründen nicht machbar.
Hier greift die sog. Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes aus
Artikel 79 Abs. 3:
 
"Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."
 
Für mich stellt der Föderalismus auch ein sehr hohes Gut dar, welches nicht nur als Antwort auf des Dritte Reich gesehen werden kann. Der Föderalismus entspringt auch der deutschen Verfassungstradition. Ich erinnere an die mittelalterliche Umschreibung "Das Reich mit seinen Gliedern". 
Wir sind in Deutschland eigentlich im Vergleich mit anderen Ländern immer recht gut gefahren mit unserem Föderalismus. Historisch betrachtet hat die oft gescholtene "Kleinstaaterei" dafür gesorgt, dass in Deutschland auch in der "Provinz" eine gewisse Infrastruktur geschaffen wurde und sich nicht alles auf die Hauptstadt konzentriert hat (Frankreich).
Historiker sehen in den letzten Jahrzehnten die Rechtsordnung des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" wesentlich differenzierter, sprich: positiver. Früher wurde aus dem Blickwinkel des Nationalstaates des 19. und 20. Jahrhunderts die bis 1806 gültige mittelalterliche Verfassungsordnung sehr kritisch gesehen- heute sieht man das doch etwas anders.
Aus Sicht der nationalstaatlichen Großmachtpolitik der Jahrzehnte vor 1945  war Deutschland in der Vergangenheit Rückständig- sprich:  Der deutsche Föderalismus habe uns als "verspätete Großmacht" gegenüber anderen Weltmächten ins Hintertreffen gebracht.  Vielleicht war der Föderalismus das Zukunftsmodel und nicht der Nationalstaat !


ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Michael M(ittelstädt) - 06.11.2013 21:57

Auszug aus einem Thesenpapier des ÖDP Kreisverband Aachen-Düren-Heinsberg. Zur besseren Diskutierbarkeit aufgeteilt auf die passenden Themenbereiche des Forums.
Originalbeitrag: http://oedp-forum.de/bb/showthread.php?tid=27&pid=80#pid80



Zitat:(Abkehr von der Jährlichkeit als Haushaltsgrundsatz)
1. Abkehr vom strikten Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit im öffentlichen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen. Nicht im Kalenderjahr verausgabte Haushaltsmittel können bis zu einem Prozentsatz von 30-40 % in das nächste Haushaltsjahr übertragen werden. Dadurch werden die jährlich wiederkehrende „Torschlusspanik“ im öffentlichen Haushaltswesen sowie eine „das Geldmussraus“-Politik zum Jahresende vermieden

(Verrechnung von Passiv- und Aktiv-Leistungen)
2. Verrechnungsmöglichkeit sogenannter „Passiv-Leistungen“ (verpflichtende Sozialleistungszahlungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe) mit Aktiv-Leistungen“ (Kann- und Ermessensleistungen wie Fortbildungen und Qualifizierungen) im öffentlichen Sozialsektor des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Einsparungen bei Passivleistungen erhöhen den Spielraum für Kann-Leistungen und damit die Möglichkeiten zur individuellen Förderung (Erweiterung des Haushaltsgrundsatzes des Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit)

3. Reduzierung des föderalistischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland auf das absolut notwendige Maß:

(Abschaffung / straffe Reduzierung der Mittelinstanzen (Bundesländer))

Spätestens durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 ist das Bund-/Ländergefüge mit mittlerweile 16 Bundesländern völlig außer (politischer) Kontrolle geraten. Die Tendenzen, dass bundespolitische Entscheidungen im Bundesrat regelmäßig scheitern und sich damit die politischen Lager gegenseitig „schachmatt“ setzen bzw. sich gegenseitig die Schuld zuschieben, notwendige politische Änderungen nicht vornehmen zu können, nimmt absurde Formen an.
Die derzeitige 3-Stufigkeit von Bundes-, Landes- und Kommunalkompetenzen führt regelmäßig zu Kompetenzgerangel und Schnittstellenproblematiken (siehe Schul- und Erziehungspolitik, Kultur, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik etc.). Diese werden verschärft durch eine wachsende 4. Ebene „Europapolitik und – parlament“, die ebenfalls zunehmend für sich mehr Kompetenzen und Verwaltungshoheit einfordert.
Hinzu kommen immense Ausgaben an (unnötigen und aufgeblähten) Landesverwaltungen und Landesregierungen und unmittelbaren und mittelbaren Landesbehörden, die nur deshalb auftreten, weil die Regelungen so sind wie sie sind. Durch die freiwerdenden Gelder nach weitest gehender Abschaffung / straffer Reduzierung der Mittelinstanzen (Bundesländer) stehen Finanzierungsmöglichkeiten im hochstelligen Milliardenbereich zur Verfügung, die dann sinnvoll von den beiden verbleibenden Ebenen (Staat und kommunaler Verwaltung) für dringend notwendige Investitionen (Arbeits-, Sozial- und Gesundheitspolitik Umweltschutz, Energieversorgung, staatliche und kommunale Infrastruktur) eingesetzt werden können.

Zitat:(Reduzierung auf eine Europa-, eine Bundes- und eine kommunale Ebene)
Das derzeit gültige föderalistische System in der Bundesrepublik Deutschland stammt aus der Nachkriegszeit und ist entstanden aus Erfahrungen der Weimarer Republik und des NS-Regimes und hatte damals sicherlich seine Berechtigung.
Mittlerweile hat es sich überlebt und ist heutzutage, wie oben aufgeführt, eher stark hinderlich und nicht mehr system- finanz- und gesellschaftsdienlich.
Durch die Reduzierung auf eine Europa-, eine Bundes- und eine kommunale Ebene wird dem Rechenschaft getragen und gleichzeitig dafür gesorgt, dass Haushaltsmittel in sehr beträchtlichem Umfang (mindestens2-stellige Milliardenbeträge) freigemacht werden für wirklich wichtige Investitionen.

Konsequente Schaffung bzw. Rückführung auf kleine, überschaubare Einheiten:
Damit weg von immer größeren Verwaltungs-, Lern- und Wohneinheiten und ein „Hin“ zu mehr Übersichtlichkeit, überschaubare Gemeinschaft, ein „sich kennen“ und „sich verantwortlich für den anderen“ fühlen.
Weg von Anonymität und verwaltet werden – hin zu persönlichem Kennen und Vertrauen.

Diese Grundsätze sollen der Maßstab für das generelle politische Handeln in der Bundesrepublik Deutschland sein und einer zunehmenden Anonymisierung und Nichtüberschaubarkeit entgegenwirken.



RE: ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - rjmaris - 08.11.2013 17:50

Zitat:Spätestens durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 ist das Bund-/Ländergefüge mit mittlerweile 16 Bundesländern völlig außer (politischer) Kontrolle geraten. Die Tendenzen, dass bundespolitische Entscheidungen im Bundesrat regelmäßig scheitern und sich damit die politischen Lager gegenseitig „schachmatt“ setzen bzw. sich gegenseitig die Schuld zuschieben, notwendige politische Änderungen nicht vornehmen zu können, nimmt absurde Formen an.
So ist es. Für mich hat es den Anschein, dass eine Reorganisierung der Länder nur möglich ist, wenn der große Wurf gemacht wird, denn z.B. Eine "Teilumwandlung" scheitert schnell an Befindlichkeiten der betreffenden Bevölkerungen, siehe Berlin-Brandenburg.
Wenn es also groß angepackt wird, ist es einfacher zu argumentieren z.B. im obigen Sinne. Die ÖDP sollte sich dafür stark machen. Mehr Info's, komplett mit Vorschlägen: http://de.wikipedia.org/wiki/Neugliederung_des_Bundesgebietes


RE: ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Christian Stadelmann - 10.11.2013 21:42

Zum Haushalt:
Dieser Ansatz kommt mir sehr bürokratisch vor, auch wenn er gut gemeint ist.

Zum Föderalismus:
Ich weiß nicht so ganz was ich davon halten soll. Einerseits bin ich für eine Vereinfachung der staatlichen Verwaltung. Andererseits fürchte ich, dass dadurch Demokratie und Bürgernähe verloren gehen. In kleinen Gemeinden (z.B. mit 2000 Einwohnern) ist Bürgernähe sehr leicht gegeben, da fast jeder Bürger einen der Gemeinderäte kennt. Jede Zusammenführung von Kommunen ist eine Gefahr für die Demokratie vor Ort.

Ich halte Föderalismus für einen wichtigen Pfeiler unserer Demokratie, solange es sich um Instanzen handelt, die vom Durchschnittsbürger nicht einfach durchschaut werden können.

Eine Abschaffung weiterer politischer Ebenen würde genau dazu führen, dass die verbleibenden Abgeordneten mehr Arbeit haben, das heißt konkret:
1. Sie werden weniger Zeit haben, um sich in Probleme einzuarbeiten
2. Abgeordnete werden zunehmend in Vollzeit arbeiten müssen, anstatt ehrenamtlich (Gemeinderäte, Kreisräte, Bezirksräte). Das könnte zur Ausweitung der andernorts kritisierten „Berufspolitiker“ werden.

Nebenbei bemerkt: In manchen Regionen Bayerns sind es bis zu 7 politische Ebenen: Gemeinde, Verwaltungsgemeinschaft, Landkreis, Bezirk, Bundesland, Land, EU – und dazu gibt es dann noch den Städte- und Gemeindetag, den Bundesrat, …

In der Schweiz funktioniert das 3stufige Modell (Gemeinde, Kanton, Bund) auch.


RE: ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Felix Staratschek - 11.11.2013 16:01

Es wäre mal zu fragen, ob es den Bundesstaat noch braucht oder ob die 16 Bundesländer diekt EU- Mitglied werden. Für einige gemeinschaftliche Aufgaben kann die deutschsprachige Gruppe im EU- Parlament zuständig werden. Die Zahl der deutschen Europaabgeordneten würde deutlich steigen. Viele EU- Mitgliedsstaaten sind kleiner als einige unserer Bundesländer.


RE: ÖDP-Thesen zum Föderalismus und zur Haushaltsführung - Arno Kohlert - 17.12.2013 17:12

Beitrag: #14

Hier meinen Beitrag, den ich auch unter anderer Thematik geschrieben habe (Buch "Unser Land unterm Hammer - Wer regiert uns wirklich" von Klaus Buchner):

Was die Regionen bzw. den Föderalismus angeht, so ist dies ein grundsätzliches Problem, auch innerhalb  Deutschlands.
Es stellt sich immer mehr die Frage: Welche Kompetenzen haben die Bundesländer noch?
Wenn man mal von der Schulpolitik absieht, ist da nicht viel geblieben- deshalb ist das auch oft ein Streitthema. Man ist ja froh, überhaupt noch ein Landesthema zu haben.
Auf dem Sektor gibt es ja dann auch immer mehr Forderungen der Bürger nach Vereinheitlichung- kann man auch fordern- aber was bleibt dann noch an Landesaufgaben?
Nachdem auch immer mehr Themen auf die europäische Ebene verlagert wurden, führen die Bundesländer ein Schattendasein. Hier ist mal eine Grundsatzdiskussion über die Staatsaufgaben auch innerhalb Deutschlands angezeigt.
Wenn man den Föderalismus stärken will, dann müssten eigentlich für den Bundestaat- ich übertreibe mal - nur noch die Aufgaben: Außenpolitik und Verteidigung übrigbleiben.
An wirklich großen Aufgaben (und Ausgaben!)  bleibt dann noch alles "Soziale". Das Problem der mangelnden Kompetenzen der Bundesländer würde sich auch nicht dadurch ändern, dass man mehrere Bundesländer zusammen legt.