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Zum Scheinargument „Schutz vor Terror“ zur Überwachung - Druckversion

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Zum Scheinargument „Schutz vor Terror“ zur Überwachung - Christian Stadelmann - 30.10.2013 22:00

Im alten Forum habe ich die Meinung geäußert, dass der „Schutz vor Terrorismus“ nur ein Vorwand ist, um massive Überwachungsmaßnahmen (teilweise Repression) durchzusetzen. Im Deutschlandradio wurde neulich ein Feature gesendet, das diese These unterstützt: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/2264727/
Die Argumentation dort: Terroristen, denen es darum geht, mit möglichst geringem Aufwand möglichst großen Schaden bzw. Schrecken für die Wirtschaft bzw. die Bevölkerung zu bewirken, würden anders vorgehen: Sie würden die kritische Infrastruktur angreifen.
Ich möchte dazu noch ergänzen: Und sie würden nicht so stümperhaft vorgehen, wie das bei den vielen gescheiterten Anschlägen in Deutschland passiert ist. Ein bisschen Sprengstoff in einem Koffer in einem Zug (oder am Bahnhof) zur Explosion zu bringen, sollte nicht so schwer sein. Es gibt keine Kontrollen und keine Systeme, die Sprengstoff detektieren könnten. Wie kann es also sein, dass die Polizei überhaupt solche Leute während der Planungen festnimmt?
Nur mal so plakativ geschätzt (ohne irgend Beweise oder Daten dafür zu haben) würde ich behaupten, dass mindestens die Hälfte aller durchgeführten und „verhinderten“ Terroranschläge in Deutschland und einigen anderen Ländern Aktionen der Geheimdienste oder Behörden waren. Das Motiv dahinter wäre (auch Spekulation): Terror, um die entstehende Angst als Mittel zum Machterhalt zu verwenden.
Daniele Ganser, Historiker, hat sich umfangreich mit der Organisation Gladio ( https://de.wikipedia.org/wiki/Gladio ) beschäftigt, heraus gekommen ist dabei unter anderem ein wissenschaftlicher Beitrag zur Zeitschrift „World Affairs“: „Fear as a weapon“ ( http://www.danieleganser.ch/Fear_as_a_Weapon_1211544214.html ) und ein zweiteiliges Interview mit Telepolis ( http://www.heise.de/tp/artikel/28/28766/1.html ) sowie eine Übersicht: http://www.php.isn.ethz.ch/collections/colltopic.cfm?lng=en&id=15301
Ähnliche Gerüchte gibt es auch zu 9/11, auch wenn dort so wenige Fakten vorliegen, dass es wohl noch keine belastbaren Thesen gibt.

EDIT:Und noch ein Hinweis dazu, dass deutsche Behörden (BKA, Innenministerium, …) regelmäßig vor Anschlägen warnen: Aus ermittlungstaktischen Gründen ist das doch völlig unlogisch, damit geben sie nur Informationen an die mutmaßlichen Terroristen preis. Aus „wir wollen die Bevölkerung schützen“-Gründen ist das auch Quatsch, denn so lange keine konkreten Ziele genannt werden, kann sich auch niemand schützen. Das einzige, was solche Warnungen bewirken ist doch, dass Teile der Bevölkerung verunsichert oder gar verängstigt werden.
Der einzige naheliegende Schluss (wieder Spekulation) ist doch, dass die Bevölkerung gezielt verunsichert werden soll, z.B. um weitere Überwachungsmaßnahmen durchzuführen.

EDIT2:Links korrigiert.


RE: Zum Scheinargument „Schutz vor Terror“ zur Überwachung - Michael M(ittelstädt) - 01.11.2013 14:09

Da kommen für meinen Geschmack mehrere Thesen durcheinander und bewegen sich in der Summe hart am Rande zu einer Verschwörungstheorie.

These 1 und zugleich Hauptthese: „Schutz vor Terrorismus“ ist nur ein Vorwand ist, um massive Überwachungsmaßnahmen (teilweise Repression) durchzusetzen.

Das Problem fängt eine Stufe vorher an. Es ist weltweit Unart von Politikern geworden, auch nicht gewalttätige Kritiker an Personen und am jeweiligen politischen System als Terroristen zu bezeichnen. Damit werden diese Menschen entindividulisiert und zugleich zugleich außerhalb der Gesellschaft gestellt. Mit Terroristen darf man dann alles machen, auch foltern.

Der Schutz vor Terroristen folgt zumindest teilweise der Logik, weil gegen Terroristen ist halt alles erlaubt bzw. zumindest gerechtfertigt.

Überwachungsfanatiker und Law and Order-Politiker springen auf diesen Zug auf.

These 2: Schutz vor Terroristen und diesbezügliche Erfolge ist eine nicht glaubwürdige Behauptung, weil "professionelle" Terroristen anders vorgehen würden.

Das ist eine problematische These. Es ist durchaus möglich, dass die Vielzahl der Schutz- und Abwehrmaßnahmen bisher große Terroranschläge mit Todesfolge verhindert haben. NSU mal ausgenommen.
Zugleich ist es eine Möglichkeit, dass es bewusst beobachtete und teilweise durch eingeschleuste Personen handwerklich unmöglich gemachte Anschläge sind, um darüber das gesamte Netzwerk aufklären zu können. Also das Gegenstück zum Rauschgiftankauf durch die Polizei. Darüber redet man natürlich nicht öffentlich.

These 3: "Nur mal so plakativ geschätzt (ohne irgend Beweise oder Daten dafür zu haben) würde ich behaupten, dass mindestens die Hälfte aller durchgeführten und „verhinderten“ Terroranschläge in Deutschland und einigen anderen Ländern Aktionen der Geheimdienste oder Behörden waren. Das Motiv dahinter wäre (auch Spekulation): Terror, um die entstehende Angst als Mittel zum Machterhalt zu verwenden."

Das möchte ich so pauschal in den Bereich von Spekulation verweisen. Ich schließe allerdings selbst nicht aus, dass in nichteuropäischen Staaten ab und zu Anschläge von Geheimdiensten oder Staatsbediensteten organisiert, provoziert oder toleriert werden, um die eigene Bedeutung herauszustellen und weiterhin einen meist nicht schlecht bezahlten Job zu haben. Gleichzeitig ist das ein Mittel, um bestimmte Gruppen öffentlich diskretitieren zu können.

These 4: Aus „wir wollen die Bevölkerung schützen“-Gründen ist das auch Quatsch, denn so lange keine konkreten Ziele genannt werden, kann sich auch niemand schützen. Das einzige, was solche Warnungen bewirken ist doch, dass Teile der Bevölkerung verunsichert oder gar verängstigt werden.
Der einzige naheliegende Schluss (wieder Spekulation) ist doch, dass die Bevölkerung gezielt verunsichert werden soll, z.B. um weitere Überwachungsmaßnahmen durchzuführen."

Das ist auch anders interpretierbar. Erstens sind pauschale Warnungen wie auch die Unwetterwarnungen immer auch Absicherungsmaßnahmen von Bürokraten, die sich nicht vorwerfen lassen woll, ggf. nicht gewarnt zu haben.

Pauschale Warnungen helfen, dass die Bevölkerung aufmerksamer beobachtet und ggf. warnt, z.B. vor einsamen Koffern oder Feuerlöschern, die auffällig irgendwo an ungewöhnlichen Stellen abgestellt werden.


RE: Zum Scheinargument „Schutz vor Terror“ zur Überwachung - Christian Stadelmann - 01.11.2013 17:42

Danke für die konstruktive Kritik!

zur These 3: Wie die (wenigen bereits freigegebenen) Dokumente zu Gladio zeigen, wurden viele der „linksterroristischen“ Anschläge in Italien seit dem zweiten Weltkrieg von offizieller Seite gebilligt oder gar herbeigeführt, um in der Bevölkerung Angst vor den Kommunisten zu schüren. Für die Zeit der Strategie der Spannung in Italien ist diese Aussage historisch einigermaßen belegt. Für Deutschland und im Allgemeinen die jüngere Zeit gibt es zu wenige Dokumente, um diese Aussage zu stützen oder zu wiederlegen. Daher richtig: das ist Spekulation.

zu These 4: Unwetterwarnungen dienen dazu, dass sich die Bevölkerung schützen kann. Wenn Metreologen vor starken Stürmen warnen, können Bürger gefährdete Objekte sichern oder unters Dach bringen. Bei Warnungen vor Starkregen genauso. Unwetterwarnungen sind schon nützlich, weil die Bedrohung erfassbar und damit abschätzbar ist.